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von Pfarrer GUIDO KOHLENBERG, SPEICHER (Evangelische Kirchengemeinde Bitburg)

Predigttext    Markus 2, 23-28
23 Und es begab sich, dass er am Sabbat durch die Kornfelder ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. 24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? 25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, da er Mangel hatte und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: 26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? 27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. 28 So ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommen wird!

Liebe Geschwister, liebe Gäste,

Marc-André ter Stegen ist 500 Millionen Euro wert! - kennen Sie Marc-André ter Stegen? Der 28 jährige deutsche Nationaltorhüter ist beim FC Barcelona unter Vertrag. Und – so die Nachricht vom Dienstag – dieser Vertrag ist nun bis 2025 verlängert worden. Und aus diesem laufenden Vertrag darf er nur mit einer festgeschriebenen Ablösesumme in Höhe von 500 Mio Euro herausgekauft werden.

Ich will hier jetzt überhaupt nicht über die Höhe von Ablösesummen von Sportlern diskutieren. Das machen wir an anderer Stelle 😊 Doch im Blick auf den heutigen Bibeltext fand und finde ich die Frage spannend. Zugleich finde ich es sehr sehr schwierig zu sagen, wieviel ich als einzelner Mensch wert bin.

Natürlich verschärfen die vergangenen Monate die Frage noch einmal. Wenn es da um Schutzmaßnahmen und Besuchsregelungen und Eigenverantwortung und und … geht. Ja, da spitzt sich jetzt manches zu. Und man kommt nicht drumherum, Stellung zu beziehen und zumindest für sich selber eine Antwort zu finden. Das gab es öfter in unserer (gerad auch der deutschen) Geschichte! Und natürlich gibt es dann immer auch noch die individuelle Antwort, die ich gebe, wenn mich einer fragt: „Wieviel ist DIR DIESER MENSCH wert?“

Doch diese Frage ist und war immer schon von Bedeutung. Sie wird nicht nur individuell und in Abhängigkeit von der jeweiligen Stimmungslage entschieden und von Philosophen und den Religionen der Welt durchaus unterschiedlich beantwortet. Diese Frage wird ausgiebig und nahezu endlos diskutiert.

Ein paar Beispiel:
Manche Chemiker sagen: „66% Wasser, 20% Kohlenstoff, 6% Sauerstoff, 2% Stickstoff, 4% Aschenbestandteile. Das sind je nach Marktlage ungefähr 10 Euro.“
Mediziner – nicht alle natürlich - sagen: „Stimmt gar nicht. Allein der Wert des Insulins und der Hormone zusammengerechnet ergäbe mehrere Millionen Euro.“
Und Physiker weisen auf die Energie hin, die in den Atomen des menschlichen Körpers gespeichert ist: Pi mal Daumen mehrere Millionen Kilowattstunden. Könnte man sie nutzen, wäre ein Mensch ungefähr 85 Millionen Dollar wert.
Andere kommen zu dem Ergebnis „Das kann doch keiner bestimmen“ oder „… darf …“ oder „Naja, der eine ist mehr, der andere weniger wert“ oder „unendlich viel“ oder doch zumindest „unbezahlbar“? - - - Was würden Sie sagen?

Meine These, die ich mit dieser Predigt zu belegen versuche, lautet: „Ich bin Gottes Priorität, denn ich bin Gott seinen Sabbat wert! – Und Du natürlich auch! – Doch der guten Reihe nach!

Ich lese uns jetzt den für heute vorgeschlagenen Predigttext aus dem 2. Kapitel des Markusevangeliums vor:

23 Und es begab sich, dass er am Sabbat durch die Kornfelder ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. 24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? 25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, da er Mangel hatte und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: 26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? 27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. 28 So ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.

Ich glaube, das erste Fremdwort, das ich persönlich gelernt habe, hieß „Priorität“. Später wurde dann in Familie, Schule, Gemeinde, Freundeskreis ein Satz daraus: „Man muss Prioritäten setzen.“ Nicht immer wurde mir gesagt, welche. Und noch seltener wurde mir erklärt, warum (bzw. warum nicht andere).

Nun lese ich diese Erzählung des Markus und denke sofort: „MAN MUSS HALT PRIORITÄTEN SETZEN!“ Und es tut unendlich gut, zu wissen, dass wir Jesu Priorität sind. Ich stelle mir so ein schwarzes T-Shirt vor, auf dem in Gut-Neudeutsch steht „I am GODs PRIORITY!“ Boah! ICH GENIESSE IN GOTTES AUGEN ABSOLUTEN VORRANG. Der Schöpfer dieser welt räumt mir – mir kleinem Menschlein – den allerhöchsten Stellenwert ein. Wahnsinn.

T-Shirt

„Was ist der Mensch“, fragen die Psalmsänger, „dass du an ihn denkst? Und antworten sofort und ohne durchzuatmen: „nur ein ganz klein wenig niedriger als Gott“!!!

In Psalm 8 steht das (ab vers 4):

„Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: 5 Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? 6 Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit. 7 Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände, alles hast du gelegt unter seine Füße…“

Doch noch einmal vor vorne: Wie so oft ist Jesus mit seinen ziemlich besten Freunden unterwegs. Während sie gehen und reden und diskutieren, vielleicht auch schweigen, meldet sich der Hunger und sie rauf ein paar Ähren am Wegrand ab (..)

Die Pharisäer fragen ihn... und Achtung, da meldet sich eine Frage bei mir: Waren die auch mit Jesus unterwegs? Echt? Cool! Da laufen nicht nur die Freunde und die Schüler und die Frauen mit. Da sind auch die höchsten Religionsgelehrten seiner Zeit im Judentum aufmerksam und fragend geworden. Und weil man mit Jesus am besten unterwegs diskutierte, gingen sie halt mit. … Und sie fragten dem Rabbi Jesus Löcher in den Bauch. Die Fragen waren nicht immer gut gemeint und nicht immer der Neugier und echtem Interesse geschuldet. Manchmal wollten sie ihn einfach nur aufs Glatteis führen.

Doch eines war klar: Fragen liebte Jesus, er beantwortete sie gerne – selbst dann, wenn sie aus einem üblen Herzen kamen! Exegetisch korrekt müssen wir hier ergänzen, dass Jesus Fragen nicht immer beantwortet. Lukas 20,8 sagt er: «Dann antworte ich euch auch nicht, wer mir die Vollmacht gegeben hat, all diese Dinge zu tun.»

Und wer Jesus fragt, muss es auch aushalten, dass er seine Fragen stellt: Einmal fragt er  «Wie kommt es, dass du den Splitter im Auge deines Bruders siehst, aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht bemerkst?» (Matthäus 7, 3) «Warum habt ihr solche Angst?» (Mt 8, 26) «Und ihr, für wen haltet ihr mich?» (Mt 16, 15).

Kommen wir wieder zurück auf den galiläischen Feldweg, den Jesu mit seiner Gruppe beschreitet. Ährenraufen war nach jüdischem Gesetz übrigens ausdrücklich erlaubt. Man ließ die Ähren für die Armen stehen. Doch die gaaaaaanz Frommen deuteten das als Erntearbeit

Und es geht ihnen nicht – worum es uns vielleicht gehen würde – um die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit, da etwas „mitgehen“ zu lassen, was einem nicht gehört. Es ging – diesen frommen Herrschaften – um den Schabbat! Denn der war heilig. Man könnte auch sagen: Er genoss Priorität! Und Jesus macht gut rabbinisch den Schriftbeweis: Schaut doch mal in Eurer Bibel nach! Lest selber!!! David und sein Söldnerheer haben Hunger. Und sie verlangen die Schaubrote. Die Brote, die da im Tempel ausliegen und – mal ganz direkt gesprochen - für Gott sind! Also, wenn das nicht heilig war! Wenn die nicht Priorität genossen! Und der Hohepriester Abjatar rückte die Brote raus! Wer hatte damals Priorität? Sagen wir nur mal: In den Augen von David! - Ich denke: Die hungrigen Menschen!

Und dann kommt Jesus zu seiner Gegenwart, da auf dem Feldweg in Galiläa. Und sagt: „Genauso wie damals bei David ist das auch heute noch. Genauso ist auch der Sabbattag für den Menschen gemacht, und nicht umgekehrt! Und (jetzt kommt die Spitze) der Menschensohn hat über diese ganze Angelegenheit die Entscheidungsgewalt!“ - Steiler kann man es kaum sagen. Denn für kundige Hörer hießt das: Hier tritt einer als Bevollmächtigter des einen Gottes auf. Hier meldet sich JHWH selber zu Wort! - - - Und jetzt bist Du dran!

Deshalb nun noch einmal ausdrücklich und abschließend zu uns. Obwohl es eigentlich schon die ganze Zeit um uns geht, wenn auch unsere Feldwege durch die Eifel führen und wir nicht in Israel leben.

Wollen wir über den Sonntag reden? Könnten wir, sollten wir vielleicht auch irgendwann einmal wieder. Denn der Sabbat ist ja nicht einfach abgeschafft. Und der Sonntag ist ja nicht nur etwas gewerkschaftlich zu schützendes Gut. Und es ist jüdisch und christlich auch mehr als ein nettes Gemeinschaftserlebnis, wenn wir zum Gottesdienst zusammenkommen. Das ist es hoffentlich auch…

Aber es geht hier und deshalb auch heute um viel mehr, um eine grundsätzliche Haltung, eine Gesinnung, eine Einstellung. Wenn ich über Gottes Ordnungen debattiere, darf ich wissen: Es ging und geht und wird ihm immer um den Menschen gehen. Es geht ihm um mich!
„I am GOD’s priority!“ – D. h. „Ich genieße Gottes absolute Priorität!“

Direkt nach diesem Bibelabschnitt berichtet Markus, wie Jesus in einer anderen Auseinandersetzung darüber stand, was nach dem Gesetz am Sabbat getan werden konnte und was nicht. Die Vorschriften der Pharisäer verbaten, einem Kranken am Sabbat Hilfe zu leisten – außer das Leben war bedroht! – Das Leben war zu schützen!

Und das gilt – wenn ich das jetzt nicht absolut falsch auslege – das gilt immer auch für den anderen, für meinen Nächsten, den Fremden. Wo in der Bibel ein Menschenleben geschützt wird (im Übrigen ist das in 2. Mose 20 und 5. Mose 5 auch ausdrücklich beim „Feiertagsgebot“ der Fall); wo ein Mensch geschützt wird, da wird dann er selber und nicht nur seine gesamte Hausgemeinschaft, sondern auch der Fremde ausdrücklich mitgenannt.

Dass es hier nicht um Nebensächlichkeiten geht, wird deutlich, wenn wir einen Blick auf die 10 Gebote werfen. Das Sabbatgebot wird am ausführlichsten begründet. Es ist das einzige, deren Begründung sich in den 2 Fassungen (2. und 5. Mose) unterscheidet. Neben  dem Ersten Gebot („Keine anderen Götter!“), das ganz vorne steht, ist das Sabbatgebot das zweitwichtigste; es ist wie ein Scharnier zwischen den Geboten, die die Beziehung zu Gott bestimmen und den anderen, die das Zusammenleben der Menschen untereinander regeln. Im Exil wurde das Sabbathalten zum jüdischen Bekenntniszeichen.

In den rabbinischen Schriften heißt es: "Der Sabbat wiegt alle Gebote auf, wer den Sabbat vorschriftsmäßig hält, hat damit gleichsam die ganze Thora anerkannt; und wer ihn entweiht, ist, als ob er die ganze Thora abgeleugnet hätte." (R. Schulchan Aruch, 404) Zwar gibt es 39 am Sabbat verbotene Hauptarbeiten. Doch es gibt auch Ausnahmen: Eine Ausnahme ist zum Beispiel, wenn ein Men-schenleben gefährdet ist. Eine rabbinische Tradition besagt. "Der Sabbat ist euch gegeben und nicht ihr dem Sabbat." (!!!) Nein, Jesus sagt den Pharisäern – eigentlich – gar nichts Neues!

Wenn wir nun Gebot für Gebot einmal durchgehen würden und uns jeweils kurz fragten: „Wo habe ich mich nicht daran gehalten – pardon, ich glaube, dass ich nicht der einzige wäre, der da ein paar Häkchen setzen würde. Und das kann schon ziemlich bedrücken! Wenn dann aber Gott zu meiner „Ich-krieg-das-nicht-hin-Haltung“ und meiner Klage „Ich werde dem nicht gerecht!“ sagen würde:
„Ich habe das alles für DICH gemacht. Ich allein mache dich gerecht!“ Ist das nicht wirklich „prioritär schön“? Gott zerbricht sich den Kopf, wie er mir durch das Leben helfen kann! Und deshalb stehen auch über diesen gewiss nicht einfachen Wochen und Monaten die guten Wegweisungen Gottes, an denen ich mich orientieren kann und zudem seine Zusage, dass es IHM vor allem um mich geht!

Und, nein, ich kann mich persönlich tatsächlich nicht daran erinnern, wo ich das in meiner Heimatgemeinde gehört habe, dass nicht ich für die Gebote da bin, sondern die Gebote für mich. Das hätte ja eine ungeheure Freiheit geatmet. Und das soll es von Jesus aus auch. Und schon David scheint das seinen Söldnern „gepredigt“ zu haben, als sie um die Schaubrote im Tempel bitten. Die Freiheit des Sabbats gilt ausdrücklich für Sklaven!

„Hier! Schau und lebe das! Eine Zeit, die ausdrücklich genossen und nicht nur ertragen werden soll!“

Wie gut, dass wir mittlerweile wieder das Abendmahl feiern und dort zu hören bekommen: „Christi Leib ist für dich gegeben“ und „Christi Blut ist für Dich vergossen“.  - Tatsächlich, FÜR DICH!

In dem uralten Buch „Rabbinische Mythen, Erzählungen und Lügen“, wie es heißt, steht im Kapitel XXVII unter der Überschrift „Die überflüssigen Seelen“ die folgende Geschichte, die ich abschließend vorlesen möchte:

Gleich am ersten Tage der Schöpfung schuf Gott die Seelen aller Menschen, die einst auf der Erde leben sollten, und zeigte sie dem Adam. Wenn nun ein Mensch geschaffen werden soll; so bildet Gott im Himmel seinen Körper, und fügt ihm dann die Seele ein und sendet ihn hinab in seiner Mutter Schoß. Den Kindern Israels aber gibt Gott noch an jedem Sabbat eine überflüssige Seele, die vom Freitagabend bis zum Šabbatabend in ihm wohnt. Durch diese Seele wird dem Menschen das Gemüt erweitert, im Gesetz zu studieren und es leicht zu verstehen, das Gebot der göttlichen Majestät zu halten und mit Lust zu essen und zu trinken. (Quelle: rabbinische Mythen, Erzählungen und Lügen)

UND DER FRIEDE GOTTES, DER HÖHER IST ALS ALLE UNSERE VERNUNFT, DER BEWAHRE UNSERE HERZEN UND SINNE IN CHRISTUS JESUS, DEM GEKREUZIGTEN UND AUFERWECKTEN UND GEGENWÄRTIGEN! (Amen)

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