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Von SYBILLE FRERES, Prädikantin (Evangelische Kirchengemeinde Bitburg)

Prädikantin Sybille Freres

Predigttext     Johannes 10, 11-16 + 27-30
11 »Ich bin der gute Hirte. Ein guter Hirte ist bereit, sein Leben für die Schafe herzugeben. 12 Einer, der gar kein Hirte ist, sondern die Schafe nur gegen Bezahlung hütet, läuft davon, wenn er den Wolf kommen sieht, und lässt die Schafe im Stich, und der Wolf fällt über die Schafe her und jagt die Herde auseinander. 13 Einem solchen Mann, dem die Schafe nicht selbst gehören, geht es eben nur um seinen Lohn; die Schafe sind ihm gleichgültig. 14 Ich bin der gute Hirte. Ich kenne meine Schafe, und meine Schafe kennen mich, 15 genauso, wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne. Und ich gebe mein Leben für die Schafe her. 16 Ich habe auch noch Schafe, die nicht aus diesem Stall sind. Auch sie muss ich herführen; sie werden auf meine Stimme hören, und alle werden eine Herde unter einem Hirten sein.
27 Meine Schafe hören auf meine Stimme. Ich kenne sie, und sie folgen mir, 28 und ich gebe ihnen das ewige Leben. Sie werden niemals verloren gehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. 29 Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles; niemand kann sie aus der Hand des Vaters reißen. 30 Ich und der Vater sind eins.«
Predigt

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Leserinnen, Liebe Leser,

Jeder von uns hat schon einmal in seinem Leben an einem Zaun gestanden und Schafen auf einer Wiese zugeschaut – seien es die mehr oder weniger weißen, wolligen oder auch die dunklen oder gescheckten mit den runden Köpfen, die immer so ein bisschen angriffslustig aussehen. Und wenn dann auch noch Lämmer dabei sind, dann kommt von Kindern mit Sicherheit der Satz: „Oh, wie süß!“ und wir Erwachsenen denken uns diesen Satz, weil wir es etwas peinlich finden, es auszusprechen.

Seltsam aber, dass, wenn jemand zu uns sagt: „Du Schaf!“, wir das gar nicht gut finden – weil wir wissen, dass uns da jemand nicht etwa für süß, sondern für dumm, naiv oder weltfremd hält, vielleicht auch für jemanden, der wie ein sogenanntes „dummes Schaf“ einem Wortführer, einem Demagogen blind hinterherläuft, wie ein Schaf seinem Hirten folgt. Da wollen wir nicht mit einem Schaf verglichen werden – und deshalb reagieren Konfirmanden und Schüler, aber auch so viele Erwachsene bei unserem Bibeltext spontan mit „Ich bin doch kein Schaf“!

Aber vielleicht ist es unsere übliche Selbstbezogenheit, die uns so reagieren lässt – denn in unserem Text geht es nicht um die Schafe, sondern um den Hirten – es ist eines der berühmten „Ich-bin“-Worte Jesu– die ja schließlich auch nicht „Ihr seid“- Worte heißen. Die Worte, die man wie einen Steckbrief Jesu lesen kann:  „Ich bin der Weg“ – „Ich bin das Brot des Lebens“ - „Ich bin die Tür“ – und eben  „Ich bin der gute Hirte“.

In allen diesen Worten bietet Jesus den Menschen Bilder an, die zu ihrer Zeit und ihrer Umwelt passen, Bilder, in denen sie das Verhältnis zwischen Ihm und den Menschen widergespiegelt finden und besser verstehen lernen können, was und wie Er ist. Und die Schafe, die waren nun mal allgegenwärtig auf Israels Hügeln und Weiden.

Wenn es also darum geht, wie Jesus, wie dieser Hirte ist, dann sehen wir uns doch einmal die Stellungsbeschreibung eines Hirten an – und wie Jesus sie ausfüllt:

  • Zum ersten: Ein Hirte leitet und führt.

Der Hirte, das ist der, der für die Tiere die Weide aussucht und sie dann dorthin führt. Er führt sie auf saftige, gute Wiesen, ohne Dornensträucher und giftige Kräuter mit genügend Platz und ausreichend Nahrung für alle.  Da können sie weiden, also fressen und sich danach genüsslich ausruhen. Sie erinnern sich vielleicht an Psalm 23 „Er weidet mich auf grüner Aue“? Der Hirte weidet seine Schafe. Er gibt ihnen damit die Möglichkeit, ihrer Bestimmung gemäß zu leben.

Was der Hirte für die Schafe tut, das tut Jesus für uns. Er will uns dazu verhelfen, unserer Bestimmung gemäß zu leben. Der Bestimmung gemäß, die Gott für uns im Sinn hatte, als er uns ins Leben rief. Er hatte für uns ein Leben gedacht in enger Beziehung zu Ihm und in Harmonie mit unseren Mitgeschöpfen. Ein Leben, das geprägt ist von Liebe, Anerkennung und Achtung, die jeder und jede Anderen gegenüber empfindet. Ein Leben, in dem ich weiß, dass ich geliebt bin – von Gott und von Menschen. Ein Leben, in dem ich als wertvoll erachtet werde – von Gott und von Menschen. Jesus will uns dazu helfen, dieser Bestimmung gemäß zu leben. Ein Leben, mit dem ich Gott ehre – in Seiner Herrlichkeit und in meinen Mitmenschen, die wie ich Seine wunderbaren Werke sind. Jesus zeigt uns den Weg zu einem Leben mit Ihm, ein Leben, das uns Nahrung für Seele und Geist gibt und unsere körperlichen Bedürfnisse nicht außer Acht lässt. Er weiß, was wir brauchen und will es uns reichlich geben- wenn wir uns seiner Führung anvertrauen. Wenn wir auf seine Stimme hören – und ihr folgen. Wie die Herde dem Hirten.

Und manch einer wird sagen: Das will ich aber nicht! Ich will nicht geleitet werden. Ich habe eine eigene Meinung. Mir muss keiner sagen, wo es langgeht- auch nicht Jesus! In Ordnung – denn dieser Hirte zwingt niemanden. Dieser Hirte hat keinen Hund dabei, der uns in die richtige Richtung treibt und hetzt. Gehen müssen wir schon selber. Und wir bekommen auch nicht, um beim Bild der Schafherde zu bleiben, unsere Schnauzen ins Gras gedrückt, damit wir fressen. Wir können vor Ihm weglaufen. Wir können uns Ihm verweigern und hungrig bleiben – und ein Leben lang versuchen, auf andere Weise satt zu werden. Versuchen, unsere innere Leere, unseren Hunger zu stillen mit gesteigertem Konsum, mit Abhängigkeit von Rauschmitteln oder Internetspielen, mit Lehren der Esoterik oder anderen Philosophien. Der Hunger wird bleiben. Weiden- das bedeutet nicht nur, auf die Weide geführt zu werden, sondern auch, selber aktiv zu werden, das anzunehmen und zu nutzen, was da ist. Wir müssen das Angebot Jesu, mit Ihm zu leben, selber in Anspruch nehmen.

Zugegeben: Da sind auch Zäune um diese schönen Wiesen – und auch daran mag sich mancher stören. Die Schafherde, die wird mit realen Zäunen in ihrer Freiheit begrenzt – oder durch den Hund, der sie ständig umkreist. Und auch für uns stellt Jesus Zäune auf- Begrenzungen, die uns nicht behindern sollen, sondern uns daran hindern, uns selber zu schaden.

Da ist zum Beispiel der Zaun der Zehn Gebote – du sollst nicht stehlen, du sollst nicht morden, du sollst die Ehe nicht brechen. Dieser Zaum hindert uns daran, im Dornengestrüpp zerstörter menschlicher Beziehungen elend zugrunde zu gehen.

Da ist der Zaun der Seligpreisungen – selig sind die Sanftmütigen, selig sind die Barmherzigen – dieser Zaun hindert uns daran, auf der Nachbarwiese der Selbstsucht und der Gier zu grasen.

Da ist der Zaun des sogenannten Doppelgebots der Liebe: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Dieser Zaun will verhindern, dass wir uns in eine Schlucht verirren, in der es nur noch dunkel ist, weil die Liebe zum Anderen und die Anerkennung meiner Selbst als von Gott geliebtes Wesen fehlen, ohne die das Licht von Gottes Liebe nicht durch uns und in uns scheinen kann und die Welt hell und wunderbar macht.

Diese Zäune sperren nicht ein und hindern nicht, sie helfen uns, unserer Bestimmung zu folgen – dem Bild immer ähnlicher zu werden, das Gott von uns hat.

Möchte ich nicht auch so geleitet werden, so meinen Weg erkennen?

 

  • Zum zweiten: Ein Hirte hütet und behütet.

Eine Darstellung von Jesus, die früher in vielen Schlaf- und Kinderzimmern hing, zeigt Jesus, wie er ein kleines Schäfchen auf den Armen trägt. Wenn auch manche dieser Bilder recht kitschig sind- es geht nicht um Kunst oder Kitsch, sondern um die Aussage: Da war offensichtlich das Eingreifen des Hirten notwendig. Offensichtlich kann das kleine Schaf nicht aus eigener Kraft mit der Situation fertig werden- vielleicht ist es müde oder verletzt, kommt den andern nicht hinterher. Vielleicht kommt es nicht an den Wassertrog, weil davor Steine liegen, die für seine kurzen Beine zu groß sind. Und der Hirte greift ein. Er überlässt das Schaf nicht seinen Problemen, lässt es nicht allein in seinen Schwierigkeiten. Es wird getragen, gehalten, beschützt.

Ich mag mich in vielen Situationen meines Lebens klein und schutzlos fühlen, Gefahren ausgesetzt-aber ich darf wissen, da ist einer, der sieht mich in meinen Problemen. Der lässt mich nicht alleine. Jesus will mich tragen, mich begleiten.  Und ist es nicht so, dass wir Seine Begleitung gerade in solchen Situationen erst richtig wahrnehmen? Und dann im Nachhinein spüren, dass Er auch in den aus meiner Sicht einfachen Lebenssituationen an meiner Seite war?
Und wenn Sie sich dieses Bild vom Hirten mit dem Schaf auf dem Arm vorstellen – das wird nicht einfach von A nach B getragen, weil es denn so sein muss – es wird liebevoll gehalten, fast wie ein Baby von seiner Mutter. Es ist klein, aber dem Hirten ist es wichtig. Vielleicht mögen die anderen in der Herde es nicht – aber vom Hirten wird es geliebt.

Wir sind Jesus wichtig. Auch wenn wir uns vielleicht selber nicht für liebenswert halten, weil andere Menschen immer an uns rummäkeln oder wir als Kind schon zu hören bekommen haben, dass wir einfach zu dumm, zu klein sind, nicht der gewünschte Sohn oder die ersehnte Tochter waren, weil wir im Leben nicht die Position erreicht haben, die andere innehaben - in Jesu Augen wind wir absolut liebenswert. Wir sind seiner Liebe wert. Er sieht uns und unsere Probleme jederzeit. Er geht neben uns und will uns hochheben und liebevoll weitertragen- wenn wir es zulassen und aufhören, zu strampeln und es alleine schaffen zu wollen.

Dieses Angebot der Liebe und Begleitung gilt allen Menschen. Um im Bild der Schafherde zu bleiben- es ist kein exklusives Angebot, nur für Heidschnucken oder Wollschafe. Es gilt allen Menschen – und jeder soll davon erfahren. Auch die, die jetzt noch „zu anderen Herden gehören“, wie unser Text sagt – allen gilt Sein Angebot der Liebe und des Trostes.

Möchten wir nicht auch so getragen werden, so geliebt und wertgeschätzt?

 

  • Und zum dritten und letzten: Ein Hirte übernimmt Verantwortung für die Herde.

Wenn damals ein Wolf oder ein anderes Raubtier kam, versuchten die Hirten sie abzuwehren, solange es für sie gefahrlos war– ansonsten brachten sie sich schleunigst selber in Sicherheit. Wenn es sich allerdings bei den Hirten um die Besitzer der Schafe handelte, dann war ihr Engagement sicher deutlich höher. Da nahmen sie auch die Gefahr auf sich, selber Verletzungen davonzutragen, nur um die Schafe zu retten.

Aber diese Stellenbeschreibung eines Hirten, die Jesus da gibt, die hätte sicher keiner unterschrieben. Seine Verantwortlichkeit fasst er noch viel weiter. Der gute Hirte gibt sein Leben für die Schafe, sagt Jesus in prophetischer Vorwegnahme dessen, was an Karfreitag geschieht.

Er gibt sein Leben für uns- weil wir es wert sind. Nicht nur wert, geliebt und behütet zu werden, sondern wert, dass er unter Qualen für uns stirbt.

Er gibt sein Leben für uns. Was der Wolf für die Schafherde ist, nämlich eine tödliche Bedrohung, das gibt es auch für uns: unsere Schuld, unser Weggehen von Gott, unsere Missachtung Seines Willens ist unsere tödliche Bedrohung. Denn sie trennt uns von Gottes Liebe, von unserer Beziehung zu Ihm – und damit vom Leben bei Ihm – die Folge wäre ewiger Tod statt Ewigem Leben. Dafür hat dieser „Ewige Hirte“, wie Paulus ihn im Hebräerbrief nennt, alles eingesetzt – und ist auferweckt worden und uns vorausgegangen, um unsere ewige Wohnung vorzubereiten. Mich tröstet und beruhigt Jesu Aussage über die Wohnungen, die er uns im Haus seines Vaters bereiten will, immer wieder aufs Neue. Er hat es zugesagt- darauf kann und will ich vertrauen.


Wollen wir nicht auch so getragen werden – der Erlösung und der Ewigkeit entgegen?

Lassen wir uns doch tragen – vom besten Hirten aller Zeiten.

Und der Friede Gottes, der höher ist als als unser Begreifen, bewahre unsere Herzen in Christus Jesus, unserem Herrn.

Amen.

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Herzlichen Dank für die Unterstützung.

Gruß

Ihre/eure  Sybille Freres

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