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von Pfarrer GUIDO KOHLENBERG (Evangelische Kirchengemeinde Bitburg)

Predigttext   JESAJA 42, 1-9

1Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte, und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. 2 Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.
3 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. 4 Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.
5 So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Atem gibt und Lebensodem denen, die auf ihr gehen:
6 Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand. Ich habe dich geschaffen und bestimmt zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, 7 dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker. 8 Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen.
9 Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es sprosst, lasse ich's euch hören. .(Luther 2017)

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommen wird!

Liebe Netzgemeinde,

ich verlese den vorgeschlagenen Predigttext: Jesaja 42,1-9 (siehe oben)

Mehrere Gottesknechtslieder gibt es beim Propheten Jesaja. Und ohne endgültiges Ergebnis beratschlagen seit Jahrzehnten hochrangige professorale Theologen, wen er denn hiermit nun bezeichnet: Ist es das erwählte Volk Israel im Ganzen? Ist er es möglicherweise selber, der Prophetische Mahner? Ist eine eher imaginäre Gestalt gemeint, die man gar nicht historisch fassen kann – so etwas wie ein Elf oder eine gute Fee? Hat er den lange schon erhofften Messias im Blick? Oder – aber das wäre ja schon eine gewaltige Vorausschau von rund 700 Jahren – oder sollte tatsächlich Jesus der so Bezeichnete sein?

Psalmbeter des AT nennen sich übrigens manchmal selber so. (Psalm 69, 8) In 2. Samuel 7, 8 wird König David so bezeichnet. Und anders als im Deutschen, wo wir Arbeiter in der Landwirtschaft so nennen (also „Knechte“, nicht „Gottesknechte“), ist es in der Bibel ein Ehrentitel. Und tatsächlich redet Jesus indirekt auch von sich selber als Knecht; öfter spricht er von sich jedoch als dem „Menschensohn“ (beides Mk 10, 43-45).

Dass Blinde sehend und Gefangene frei werden – die Begleiterscheinungen des kommenden Gottesknechts auch in diesen Versen hier – das nimmt Jesus auf die Rückfrage Johannes des Täufers aus dem Gefängnis hin ganz ausdrücklich für sich in Anspruch (Lk 7, 22). Diese Hoffnung muss in der Jüdischen Gesellschaft sehr präsent gewesen sein – und dies über Jahrhunderte hinweg. Am stärksten in der Bedrückung, im Krieg und im Exil. Letzteres ist wahrscheinlich der Hintergrund unseres Jesaja-Abschnitts.

Dass dieser Retter das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden  Docht nicht auslöscht, das ist nicht nur – herausgelöst aus dem Zusammenhang – zu einem netten biblischen Bon-Mot geworden. Es hat auch hineingefunden in den Reigen der zentralen christlichen Trostworte. Es mutet an wie ein Psalm und ist im hebräischen Original auch tatsächlich ein Gedicht! Man könnte wohl auch sagen: „Ein Lied“!

Manches weckt doch Hoffnungen bis in unsere sogenannte „Neuzeit“ hinein: „Er wird das RECHT unter die Völker bringen!“ Zuuu schön, um wahr zu sein? (Bei der Gründung der UN war das der Traum!) - „Die Götzen bekommen keinen Ruhm mehr!“ Wann wird das geschehen? („Gott, brich die Macht der Götzen!“ hat ein neuzeitlicher Liederdichter geschrieben.) - Und dass Blinde sehend und Gefangenen frei werden (s. o.) wünsche ich mir doch nicht nur, wenn ich irgendwo Blinde, Lahme, Gefangene oder anderweitig Beeinträchtige sehe. Auch mein eigenes Leben enthält doch ähnliche innere und äußere Beschränkungen.

Doch wie wird nun das Prophetengedicht vom Gottesknecht, der wunderbar in Erscheinung tritt, von uralten, heiligen, im Gottesdienst verlesenen und ausgelegten Sätzen zu meinem (ganz persönlichen) Text?

Wie findet es Eingang in meinen Alltag, in mein Herz, in meine Gedankenwelt, wenn der Sonntag hinter mir liegt und alle guten Vorsätze des 1. Januar längst schon wieder Vergangenheit sind?

Ich jedenfalls will hinschauen wie einer, der die historische Wahrheit nicht scheut. Denn das Exil ist für Israel tatsächlich ohne Hoffnung. Ein erster Schritt der Aneignung biblischer Aussagen ist, sie ebenso wahr sein zu lassen, wie die Situation, in der ich aktuell lebe.

Karl Barth hat einmal gesagt, Christen müssten so lesen: Die Bibel vor sich auf der einen Seite, die Tageszeitung auf der anderen. 

Und ich will querlesen wie einer, der - chaotisch scheinbar - hin- und herblättert in seiner Bibel. Denn von Jesus sagen sie das (s. o.). Von ihm ist immer wieder die Rede als von dem, der Menschen befreit von bösen Mächten. Der Krankheiten lindert oder heilt. Der Brot vermehrt und Wasser zu Wein macht. Ja, der sogar Tote wieder zum Leben erweckt.

Ich will mich nicht mit ein, zwei biblischen Sätzen begnügen, sondern alleine und mit anderen forschen – in meiner Bibel du in meinem Leben -, um IHN zu entdecken.

Ich will schließlich betend meine Hoffnungen bei ihm aufgaben – so wie einer das heute bei uns am Postschalter macht, wenn er ein großes Paket abschicken will. Denn dieser GOTT ist verantwortlich dafür, dass ein Neues kommt. Diese Überzeugung will ich … NICHT aufgeben. An der will ich festhalten!

UND DER FRIEDE GOTTES, DER HÖHER IST ALS ALLE UNSERE VERNUNFT, DER BEWAHRE UNSERE HERZEN UND SINNE IN CHRISTUS JESUS, DEM GEKREUZIGTEN UND AUFERWECKTEN UND GEGENWÄRTIGEN! Amen

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