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Von SYBILLE FRERES, Prädikantin (Evangelische Kirchengemeinde Bitburg)Bild Sybille Freres

 
Predigttext   Hesekiel 1-4,21-24,30-32

Wieder empfing ich eine Botschaft vom HERRN. Er sprach: »Was denkt ihr euch dabei, wenn ihr Israeliten dieses Sprichwort verwendet: ›Die Väter essen saure Trauben, und den Söhnen werden die Zähne davon stumpf‹? Ich, Gott, der HERR, schwöre, so wahr ich lebe: Keiner von euch soll dieses Sprichwort jemals wieder gebrauchen! Begreift doch, dass alle Menschen mir gehören – die Väter wie die Söhne! Ich habe jeden Einzelnen in der Hand. Und so lege ich Folgendes fest: Nur wer Schuld auf sich lädt, soll sterben! Wenn sich aber ein Mensch, der mich verachtet hat, von allen seinen Sünden abwendet, wenn er von da an auf meine Weisungen achtet und für Recht und Gerechtigkeit eintritt, dann wird er nicht sterben, sondern sein Leben behalten. Alle Schuld, die er vorher auf sich geladen hat, rechne ich ihm nicht mehr an. Weil er nun tut, was in meinen Augen gut und richtig ist, wird er leben. Ich, Gott, der HERR, frage euch: Meint ihr, es würde mir Freude machen, wenn ein Gottloser sterben muss? Nein, ich freue mich, wenn er von seinen falschen Wegen umkehrt und lebt! Wenn aber ein rechtschaffener Mensch von mir nichts mehr wissen will, wenn er die gleichen bösen und abscheulichen Dinge treibt wie jemand, der mich verachtet, sollte ich ihn dann etwa verschonen? Nein, alles Gute, was er bisher getan hat, soll vor mir nichts mehr gelten! Weil er mir die Treue gebrochen und Schuld auf sich geladen hat, wird er sterben.
Darum sage ich, Gott, der HERR: Ich gehe mit euch ins Gericht, ihr vom Volk Israel; ich spreche jedem Einzelnen das Urteil, das er verdient. Kehrt um, wendet euch ab von allem Unrecht, das ihr getan habt, damit ihr euch nicht weiter in Schuld verstrickt! Werft alles Böse von euch ab! Ändert euch von Grund auf, ja, erneuert euer Herz und euren Geist! Warum wollt ihr sterben, ihr Israeliten? Mir macht es doch keine Freude, wenn ein Gottloser sterben muss. Darauf gebe ich, Gott, der HERR, mein Wort. Kehrt um von euren falschen Wegen, dann werdet ihr leben!«

Predigt

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Leserinnen, Liebe Leser,

wer unter Ihnen ab und zu eine Predigt von mir gehört oder gelesen hat, hat vielleicht mitbekommen, wie sehr ich das Alte Testament wertschätze. Aber bei diesem Predigttext kann ich verstehen, wenn jemand beim ersten Hören oder Lesen denkt, sein oder ihr früheres und bewusst abgelegtes Vorurteil über das Alte Testament sei vielleicht doch berechtigt gewesen: nämlich AT = Schuld und Sünde und Tod. Aber das ist und bleibt ein Vorurteil. Ich gebe gerne zu, dass zumindest mir manche Passagen unverständlich bleiben, ich sie nicht nachvollziehen kann. Aber ist das nicht eher menschlichem Unvermögen zuzurechnen, Gott ganz begreifen zu können? Jesus jedenfalls nimmt das Alte Testament – also seine Bibel- ganz selbstverständlich immer wieder als Beleg seiner Ausführungen über Gott.
Aber unser Predigttext gehört gar nicht zu diesen schwer verständlichen Texten. Es kommen zwar die Stichworte Schuld, Sünde und Tod vor, die so auf Anhieb hängenbleiben. Es geht aber um etwas völlig anderes. Es geht um Schuld- ja, das bleibt, aber dann wird es ein anderer Dreiklang- es geht um Schuld, Umkehr und Leben.
Mir macht es doch keine Freude, wenn ein Gottloser sterben muss.“ Da spricht kein rächender Gott – da spricht ein betrübter Gott. Ein trauriger Vater. Und er spricht ja nicht vom leiblichen Tod, sondern vom geistlichen Tod seines Kindes – das heißt Dem -auf immer- vom Vater getrennt Sein, in diesem Leben und im nächsten. Er will nicht von uns getrennt sein, Gott will uns nicht verlieren. Da spricht derselbe Vater, den Jesus uns in dem so bekannten Gleichnis vom verlorenen Sohn vor Augen führt, das wir vorhin in der Lesung gehört haben – der Vater, der auf der Schwelle seines Hauses steht und Ausschau hält. Der traurig ist, der sein Kind schmerzlich vermisst – und der doch weiß, dass das Kind selber zurückkommen muss. Der wartet und wartet – und sich sorgt, dass sein Sohn vielleicht nicht rechtzeitig die Kurve kriegt, sondern fern vom Vater in der Fremde stirbt. Ja, es ist derselbe Gott, der diesen Satz sagt: „Mir macht es doch keine Freude, wenn ein Gottloser sterben muss.“ Aber es gibt eben nur den einen Ausweg aus der Misere. Und der besteht aus drei Schritten – und es sind die gleichen im Alten wie im Neuen Testament: Schuld erkennen - Schuld bekennen – Umkehren. Klingt so einfach und ist doch manchmal so schwer. Und am schwersten ist vielleicht der erste: das Erkennen. Denn wer hält mir den Spiegel vor? Wenn doch vielleicht alle das gleiche tun? Wenn ich nicht mehr spüre, dass ein Bibelwort genau auf mich gemünzt ist, weil das Leben doch so ganz anders läuft? Wenn etwas – bzw. einer – in mir flüstert: „He, das bist du, von der da die Rede ist?“ Und ich halte das Flüstern für ein Störgeräusch von außen oder für das Auftauchen einer übersteigerten, anerzogenen, falschen Moralvorstellung, abwegig und nicht mehr gültig. Das Sehen und das Hören und das Spüren meines falschen Weges, meiner in Gottes Augen falschen Entscheidungen – das muss ich üben und lernen und mich immer wieder neu gegen blind gewordene Spiegel und meine schwerhörigen geistlichen Ohren wehren. Und das gelingt oft nur mit Gottes Hilfe, denn es ist Sein Geist, der da spricht, Sein Wort, das den Grauschleier von meinen Augen nehmen kann. Und um es klar zu sagen: Bei dieser Schuld, die wir erkennen müssen, wird es oft nicht um Dinge gehen, die wir getan haben, sondern um Gedanken und Verhaltensweisen - die andere Menschen beurteilen, verurteilen, ausgrenzen und sie vielleicht in unseren Augen zu falsch, sündhaft handelnden und denkenden Menschen machen. Die alte Geschichte vom Splitter im Auge des anderen und dem riesigen Kantholz in unserem trifft doch immer wieder auf uns zu, wenn wir unsere Denkmuster nicht hinterfragen. Schuld, Sünde, das ist alles das, was uns von Gott trennt, was unser geistliches Leben kaputtmacht. Wenn dieser Schritt des Erkennens getan ist, dann folgt, wenn ich Frieden finden will, unausweichlich der nächste Schritt – ich muss die Schuld bekennen, die ich mir selber mühsam eingestanden habe – dem und den Menschen gegenüber, an denen ich schuldig geworden bin. Und- für den glaubenden Menschen noch wichtiger – ich muss Gott diese Schuld bekennen, dass ich mich gegen seinen ausdrücklichen Willen gestellt habe, ich seine Autorität und Allmacht ignoriert habe oder ich mich gegenüber einem seiner Kinder, meinem Geschwister, versündigt habe und damit ebenso gegen Gott.

Bei Hesekiel: "Wenn sich aber ein Mensch, der mich verachtet hat, von allen seinen Sünden abwendet, wenn er von da an auf meine Weisungen achtet und für Recht und Gerechtigkeit eintritt“ und im Lukasevangelium: "Und der Sohn sprach: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn genannt zu werden.
Da geht es um das Gleiche: Schuld muss bekannt werden, sonst wird sie zum Krebsgeschwür in unseren Herzen. Schuld muss erkannt und bekannt werden, sonst kann ich nicht umkehren, kann keinen neuen, anderen besseren Weg einschlagen. Nur dann kann ich neu anfangen, aufrecht gehen, ohne Last und Schuld auf meinen Schultern. Schuld muss bekannt werden, damit sie vergeben werden kann – von Menschen und von Gott. Menschen wollen oder können das nicht immer. Gott schon – und gottgläubige Menschen haben schon immer um diese Vergebung gebeten. Wenn Sie zum Beispiel die Psalmen einmal lesen, werden Sie viele Bitten um Vergebung finden – zum Beispiel in Psalm 103: „Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat“ . So altes und von vielen Menschen immer wieder erfahrenes Wissen. Und fragen uns manchmal doch, wieso Er das macht- wo doch wir nicht so handeln und andere Menschen an uns nicht so handeln. „Kehrt um von euren falschen Wegen, dann werdet ihr leben“. Dass Gott dieses Versprechen einlöst, das müssen wir uns immer wieder vorbuchstabieren. Denn Schulden müssen doch getilgt werden, das weiß jeder, der einmal einen Kredit aufgenommen hat. Schuld vor Gott kann beglichen werden mit wahrhaftiger und bleibender Umkehr. Denn Gott will nur eines: unser Herz. Schon beim Propheten Hosea heißt es: „Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer“. Unser Herz muss den Takt wechseln, in Gottes Pulsschlag einfallen - und daraus erwächst Vergebung.
Um diese Vergebung baten die Glaubenden des Alten Testaments – und fürchteten doch, dass die Änderung ihrer Herzen nicht ausreichte. Der Wankelmut, das Zurückfallen in alte Muster, der Unwillen, unser Leben in allen Bereichen ganz in Gottes Hände zu geben, war bei ihnen genauso verbreitet wie bei uns. Dabei ist und bleibt- zu Zeiten Hesekiels wie heute -Vergebung etwas, was geschenkt wird, nicht verdient werden kann. Vergebung ist Gnade. „Alle Schuld, die er vorher auf sich geladen hat, rechne ich ihm nicht mehr an.“ sagt Gott in unserem Text. Und wo zu Zeiten Hesekiels die Hoffnung auf Gnade und Vergebung durch eigene Schuld immer wieder ins Wanken geriet, können wie Heutigen doch glauben und vertrauen, dass unsere Schuld schon lange bezahlt ist. Im alten Israel bekannten – gemäß den Vorschriften des Mose - am großen Versöhnungstag, an Jom Kippur, die Mitglieder der Gemeinde öffentlich ihre Sünden. Anschließend wurde einem Ziegenbock vom Hohenpriester symbolisch alle Schuld und Sünde der Gläubigen aufgelegt und das Tier dann in die Wüste hinausgejagt, wo es jämmerlich zugrunde ging – und die Sünden mit ihm. Daher stammt ja unser Wort vom Sündenbock, den wir so gerne suchen…Und nach Jom Kippur - dann ging alles wieder von vorne los. Nach den eigenen statt nach Gottes Maßstäben zu leben, ist menschliches Verhalten damals wie heute. Sich dennoch nach einem Leben mit Gott und im Reinen mit Ihm zu sehnen, ist unser Wesenskern, derselbe damals wie heute. Und Gottes Vergebungsbereitschaft ist ebenso dieselbe – damals wie heute. Nur Gottes Weg dorthin wurde ein anderer- als Er sah, dass wir es nicht schaffen. Und so kam Gottes genialer Plan B zum Einsatz: Jesus ließ sich am Kreuz alle Schuld der Menschheit auf die Schultern legen – und sie starb mit ihm. Der Weg mit Jesus führt - durch Liebe - von Hoffnung zum Glauben, zum Vertrauen. An seiner Hand kann ich das Einzige tun, was nötig ist: mich in Gottes Arme werfen. In den Armen dieses Vaters werden wir getröstet, aufgerichtet, können an Seiner Seite leben. Wir müssen nicht zweifelnd an der Türschwelle stehenbleiben wie der Sohn im Gleichnis, sondern können zu Gott laufen wie ein kleines Kind zu seinem Vater oder seiner Mutter- voll Zuversicht, dass die elterliche Liebe alles vergibt, was man ausgefressen hat. Auf dem Schoß der Eltern gibt es Trost und Vergebung, Annahme und Neubeginn. Von diesem sicheren Schoß aus können vielleicht auch wir anfangen, zu vergeben, mit anderen neu oder immer wieder neu anzufangen. Auf diesem Schoß von Abba, von Papa Gott, der mich liebhat, kann und darf ich antworten: Ich dich auch, Papa.
Gott liebt- ohne Vorbehalte, für uns unermesslich großherzig und vergebend. Seine Menschwerdung in Jesus ist unsere Garantie dafür, darauf vertrauen, daran glauben zu können. Erkennen der Schuld, bekennen und Umkehr – das sind unsere Schritte. Liebe, Vergebung und Leben – sind Gottes Schritte. „Dann werdet ihr leben!“ ist Gottes Angebot und Versprechen an uns – pralles, gefülltes und erfülltes Leben. Mit sauberer Kleidung statt dreckiger Sündenlumpen, Familienschmuck statt Sündendreck an unseren Händen- und Gott feiert ein Fest. Dieses Freudenfest feiern die Engel, wenn wir umkehren, sagt Jesus einmal zu seinen Jüngern – wir stoßen dann in der Ewigkeit dazu. Bis dahin dürfen wir in Gottes Liebe leben – in und mit und durch Seinen Sohn Jesus Christus.

Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus, unserem gekreuzigten und auferweckten und gegenwärtigen Herrn. Amen.

 

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Herzlichen Dank für die Unterstützung.

Gruß

Ihre/eure  Sybille Freres


 

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