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von Pfrarrerin Sonja Mitze

Predigttext: 1. Timotheus 2, 1-6a

1 Am wichtigsten ist, dass die Gemeinde beständig im Gebet bleibt. Betet für alle Menschen; bringt eure Bitten, Wünsche, eure Anliegen und euren Dank für sie vor Gott. 2 Betet besonders für alle, die in Regierung und Staat Verantwortung tragen, damit wir in Ruhe und Frieden leben können, ehrfürchtig vor Gott und aufrichtig unseren Mitmenschen gegenüber. 3 So soll es sein, und so gefällt es Gott, unserem Retter. 4 Denn er will, dass alle Menschen gerettet werden und seine Wahrheit erkennen. 5 Es gibt nur einen einzigen Gott und nur einen Einzigen, der zwischen Gott und den Menschen vermittelt und Frieden schafft. Das ist der Mensch Jesus Christus. 6 Er hat sein Leben als Lösegeld hingegeben, um uns alle aus der Gewalt des Bösen zu befreien. Diese Botschaft soll nun verkündet werden, denn die Zeit, die Gott festgelegt hat, ist gekommen. (Hoffnung für Alle)

Die Gnade unseres Herr Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Geht Ihnen das auch manchmal so, wenn Sie abends vor dem Fernseher sitzen und die Nachrichten schauen: Berichte über Kriege, über den Hunger in der Welt, den Klimawandel, der sich nicht mehr aufhalten lässt, Waldbrände, Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen – man hat das Gefühl, irgendetwas tun zu müssen gegen all das Schreckliche, was da geschieht - und schon macht sich ein Gefühl der Hilflosigkeit und Resignation breit: Was kann ich schon ausrichten? Ich kann ja doch nichts ändern!

Aber wir brauchen gar nicht erst so weit zu gehen: auch in unserem Alltag passieren oft Dinge, die uns hilflos machen. Stellen Sie sich vor, eine Freundin kommt zu ihnen und erzählt Ihnen, dass sie bald ins Krankenhaus muss. Es wird eine schwere Operation und sie hat Angst. Wie gerne würden Sie ihr etwas sagen, aber was kann man in so einer Situation schon sagen? Man möchte helfen – und kann doch so wenig tun, oder?

Der 1. Timotheusbrief würde uns da widersprechen. Es ist beileibe nicht so, dass ihr völlig hilflos seid und nichts tun könntet! Schließlich seid ihr Christinnen und Christen und als solche könnt und sollt ihr vor allem eines: Beten! Und so heißt es im 2. Kapitel des 1. Briefes an Timotheus:

Das Erste und Wichtigste, wozu ich die Gemeinde aufrufe, ist das Gebet: Bringt Bitten und Fürbitten und Dank für alle Menschen vor Gott! (1. Tim 2,1)

Beten – Nicht erst, wenn alles zu spät ist.

Nicht erst, wenn andere sagen: „Jetzt hilft nur noch beten!“

Sondern schon vorher: es ist das Erste und Wichtigste, was wir tun sollen.

Doch wie geht Beten überhaupt? – Am einfachsten ist es wohl, sich Gott wie einen guten Freund, eine gute Freundin vorzustellen, mit dem/mit der man über alles reden kann. All das, was uns beschäftigt, alle Sorgen und Nöte, aber auch die Dinge, für die wir dankbar sind, über die wir uns freuen, können wir im Gebet mit Gott teilen. (Es ist wundervoll, wenn man so beten kann. Wir sollten nur darauf achten, dass wir Gott nicht die ganze Zeit zutexten, sondern uns immer auch noch einen Moment der Stille nehmen, in der wir Gott Gelegenheit geben zu antworten.)

Manchen Menschen, das stelle ich immer wieder fest, fällt es allerdings schwer, so mit Gott zu reden. Vielleicht, weil wir Gott nicht sehen können. Da fragen sich viele: Ist Gott überhaupt da? Hört er mir überhaupt zu? Für andere ist es vielleicht auch schwierig, die richtigen Worte zu finden.

Es gibt aber auch noch eine andere Art des Betens. Und vielleicht ist es das, was Paulus meint, wenn er sagt: Betet ohne Unterlass. (1. Thess 5,17) Es ist ein Gebet, das keine Worte braucht, sondern in der Verbindung und in der Verbundenheit mit Gott geschieht. Wenn ich so bete, mache ich mir bewusst, dass Gottes schöpferischer Geist alles durchdringt. Er ist die Kraft, die alles miteinander verbindet. Sich dieser Kraft zu öffnen, sich in sie hineinzustellen und sich bewusst mit ihr zu verbinden, ja, in ihr zu leben, in ihr zu sein – auch das ist Beten. Auch hier findet ein Austausch statt, aber er bedarf keiner Worte. Vielleicht sagt Jesus deshalb: Ihr müsst beim Beten nicht viele Worte machen, denn euer himmlischer Vater weiß, was ihr braucht. (Mt 6,7)

Also dann: Betet für alle Menschen! Für alle!?

Also nicht nur für die, die uns nahe stehen, sondern auch für die Fernen.

Nicht nur für die Menschen, die wir gerne haben, sondern auch für die Menschen, mit denen wir so unsere Schwierigkeiten haben:

Für den Nachbarn, der immer so unfreundlich ist.

Für die Arbeitskollegin, die uns auf die Nerven geht.

Für die, die anderer Meinung sind als wir.

Auch für die, über die andere nur schimpfen und die Nase rümpfen können: die Politiker, zum Beispiel.

Betet auch für die Könige und alle übrigen Machthaber. Denn wir wollen ein ruhiges und stilles Leben führen – in ungehinderter Ausübung unseres Glaubens und in Würde. (1. Tim 2,2)

Nun, damit ist sicher nicht gemeint, dass wir Ja und Amen sagen sollen zu jeglicher Regierung. Es gibt weiß Gott genug Regierungen auf der Welt, zu denen wir als Christinnen und Christen nicht Ja sagen können, sondern Nein sagen müssen: Regierungen, die Angst und Schrecken verbreiten durch Folter und Gewalt und Unterdrückung. Auch die Gemeinde, in der Timotheus lebte, kannte solche Regierungen: Noch bis vor kurzem war sie selbst von einer Regierung verfolgt worden, die versucht hatte, sie zu Opfern für den Kaiser zu zwingen. Und doch wird dieser Gemeinde, die nun wirklich keine guten Erfahrungen mit ihrer Regierung gemacht hat, ans Herz gelegt, für sie zu beten: Dafür, dass sie ihr Amt in Verantwortung wahrnehmen, damit die Menschen in Ruhe und Frieden leben können.

Zugegeben: es ist nicht leicht, Menschen in unsere Gebete zu nehmen, mit deren Tun wir nicht einverstanden sind, mit denen wir unsere Mühe haben. Denn es versteht sich von selbst, dass hier nicht gemeint ist: „Lieber Gott, mach sie alle nieder, die mir nicht wohlgesonnen sind.“ – Wer so manipulativ betet, muss sich nicht wundern, wenn seine Gebete nicht erhört werden! Es geht nicht darum, den anderen mit Gebeten zu bekämpfen, es geht darum, in Frieden zu kommen.

Betet für alle Menschen! Warum ist dem Verfasser des 1. Timotheus das so wichtig, dass wir für alle Menschen beten? Er schreibt: So ist es recht und gefällt Gott, unserem Retter. Er will ja, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn es ist ein Gott und ein Vermittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus. Der hat sich selbst hingegeben als Lösegeld für alle Menschen. (1. Tim 2, 3-6)

Gott will, dass alle Menschen gerettet werden,

Gott will, dass es allen Menschen gut geht,

dass alle Menschen die Wahrheit erkennen:

Gottes Liebe kennt keine Grenzen.

Während wir noch in der Begrenztheit unseres Denkens gefangen waren, hat Jesus diese Wahrheit gelebt und er ist für diese Wahrheit gestorben. Er hat sich als Lösegeld für alle Menschen gegeben, damit wir uns lösen können von unseren Verurteilungen und Vorurteilen, von Denkmustern und Strukturen, die nicht dem Leben dienen, von Ängsten und was uns sonst noch gefangen hält.

Stattdessen will Jesus uns mit seiner Wahrheit in Verbindung bringen: Gottes Liebe kennt keine Grenzen.

Und weil die Liebe Gottes keine Grenzen kennt,

deshalb soll auch unser Gebet keine Grenzen kennen.

Betet für alle Menschen!

Das bedeutet auch: Zieht euch nicht aus der Welt zurück!

Ihr seid dieser Welt nicht enthoben oder entrückt, sondern ihr lebt in dieser Welt!

Zugegeben: viele halten uns Christinnen und Christen ja auch für ein wenig weltfremd, weil wir die Hoffnung haben, dass Gott diese Welt verwandeln und verändern will. So wie wir unseren Glauben leben, wie wir Gottesdienst feiern, das ist für viele eine völlig andere Welt als die, in der sie tagtäglich leben.

Und doch sind diese Welten miteinander verbunden. Denn diese Welt ist Gottes Welt.

Und deshalb tragen wir auch als Christinnen und Christen Verantwortung für diese Welt. Wir dürfen und sollen uns einbringen. Einerseits ganz praktisch, indem wir uns engagieren: für Frieden und Gerechtigkeit, für andere Menschen und Tiere, den Klimaschutz und die Umwelt…

Und andererseits dürfen und sollen wir diese Verantwortung auch im Gebet wahrnehmen, auch indem wir für die Regierenden beten.

Betet für alle Menschen!

Dazu braucht es Offenheit: Offenheit für die Welt, Offenheit, das wahrzunehmen, was in dieser Welt geschieht.

Und es braucht eine Offenheit Gott gegenüber: Im Gebet öffne ich mich für Gott. Ich vertraue darauf, dass er da ist, dass er mich wahrnimmt, dass mein Gebet etwas bewirkt, verändert, in Bewegung setzt.

Und da sind wir nun bei einem schwierigen Punkt angelangt: Wie wirkmächtig sind unsere Gebete überhaupt? Verändert sich etwas dadurch, dass wir beten? (Oder einfach gesagt: Hilft beten überhaupt?)

Ich behaupte: das Gebet ist eines der machtvollsten Instrumente, das Gott uns an die Hand gegeben hat. Bittet, so wird euch gegeben, hat Jesus seine Jünger gelehrt. (Lk 11,9) Allerdings – um es gleich vorweg zu nehmen – funktioniert Gott nicht wie eine Gebetsmaschine: „Lieber Gott, bitte mach…“ und dann macht er.

Aber – und das ist jetzt etwas, was wissenschaftlich erwiesen ist – unsere Gedanken und Gefühle bestimmen unsere Realität. Das ist leicht nachzuvollziehen: Wenn ich schlecht über einen Menschen denke, wenn ich negative Gefühle habe, wenn ich diesen Menschen sehe oder nur an ihn denke, dann wird das früher oder später meine Beziehung zu ihm beeinflussen – und zwar negativ. Oft ist es dann so: egal, was der andere tut oder sagt: ich fühle mich angegriffen oder finde seine Idee blöd, nicht weil die Idee blöd wäre, sondern weil ich den Menschen blöd finde. Wenn negative Gedanken und Gefühle also eine bestimmte Realität erschaffen, müssten das positive Gedanken und Gefühle doch auch können. Und ja, können sie! Umso mehr wenn wir uns bewusst mit der alles durchdringenden Macht Gottes verbinden, bevor wir diese positiven Gedanken in die Welt setzen und sie mit dem Gefühl der Liebe, der Dankbarkeit, des Friedens koppeln. Wie gesagt: ein sehr machtvolles Instrument und gleichzeitig keins, mit der man Gott instrumentalisieren könnte. Denn diese Art zu beten funktioniert nur in der völligen Hingabe an den, der die Macht in Händen hält. Und Hingabe bedeutet: dein Wille geschehe, Gott, zum höchsten Wohle aller Beteiligten. Dein Wille geschehe, der will, dass alle Menschen gerettet werden. Wenn ich so bete, macht das was mit mir. Es verändert mich und indem ich mich verändere, verändere ich die Welt.

Betet für alle Menschen!

Schon bemerkenswert, was uns da weltbewegendes zugetraut wird.

Um so wichtiger, dass wir uns bewusst machen, was für eine Verantwortung uns da aufgetragen ist.

Betet für alle Menschen!

Vielleicht haben Sie ja Lust bekommen, das mit dem Beten noch mal neu oder anders oder intensiver auszuprobieren. Vielleicht heute Abend vor dem Fernseher. Bei den Nachrichten. Ist ja nicht verboten, beim Fernsehgucken zu beten.

UND DER FRIEDE GOTTES, DER HÖHER IST ALS ALLE VERNUNFT, BEWAHRE UNSERE HERZEN UND SINNE IN JESUS CHRISTUS. Amen

 

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Pfarrerin
Sonja Mitze

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Open Doors unterstützt verfolgte Christen mit Selbsthilfe-Projekten, Literatur, Schulung von Leitern, hilft Gefangenen und den Familien ermordeter Christen. 

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Familie Schmid ging vor über 1 1/2 Jahren als Missionare nach Taiwan um einheimische Pastoren auszubilden.

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