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von Pfrarrerin Sonja Mitze

Predigttext: 2. Mose 15, 20+21

20 Da nahm Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, eine Pauke in ihre Hand und alle Frauen folgten ihr nach mit Pauken im Reigen.
21 Und Mirjam sang ihnen vor: Lasst uns dem HERRN singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.

Die Gnade unseres Herr Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Schwestern und Brüder!

Noch lange bevor Mose gegen die Unterdrückung der Israeliten in Ägypten aufbegehrt und von Gott zum Pharao geschickt wird, um die Freilassung seines Volkes zu fordern, ermächtigen sich einige mutige Frauen Israels selbst, sich von der Macht des Pharaos zu befreien. Die Hebammen Schifra und Pua verweigern sich dem Befehl des Pharaos, die männlichen Säuglinge zu töten. Ihre Ehrfurcht vor dem Gott des Lebens ist größer als ihre Furcht vor dem Pharao, dessen Befehl sie schlichtweg ignorieren und ihm zudem noch eine Lüge auftischen.

Auch Mirjams kleiner Bruder gehört zu den Geretteten. Aber da der Pharao inzwischen Befehl gegeben hat, die hebräischen Jungen in den Nil zu werfen, wird es zu gefährlich, den Jungen noch länger zu Hause zu verstecken. Nach 3 Monaten wirft ihn seine Mutter Jochebed eigenhändig in den Nil - in einem Schilfkörbchen, an einer Stelle, an der die Prinzessin mit ihrem Gefolge zu baden pflegt. Der Plan geht auf: Mirjam, die heimlich ihren Bruder im Auge behalten hat, bietet der Prinzessin an, für ihr Findelkind eine Amme zu suchen. Und es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass der Pharao, der ja eigentlich die hebräischen Jungen umbringen wollte, nun auch noch seine Mutter dafür bezahlt, dass sie ihren eigenen Sohn stillt. Später wird er für die Ausbildung des Jungen an seinem Hof aufkommen. Mose – auf ägyptisch: Sohn des… nennt die Prinzessin ihn und möglicherweise hatte sie dann noch den Namen eines Gottes angefügt. Für die Israeliten war er nur Mose – auf hebräisch: der aus dem Wasser gezogene. Und es ist, als habe er damit schon die Geschichte seines Volkes, die er herbeiführen soll, am eigenen Leib erfahren und vorweggenommen: den Weg aus der Sklaverei in die Freiheit, der durchs Wasser führt. Nach vielem Hin und Her, nach 10 Plagen, die die Ägypter ertragen müssen, weil sie Israel nicht ziehen lassen wollen, gibt der Pharao schließlich nach und das Volk macht sich unter Moses Führung auf den Weg in die Freiheit. Doch dann überlegt der Pharao es sich noch einmal anders, schickt den wehrlosen Flüchtlingen eine Streitmacht hinterher und Israel sitzt in der Falle: hinter sich das Heer der Ägypter, vor sich das Meer, das ihnen den Weg versperrt. Doch Gott rettet sie, indem er das Meer teilt. Und während Israel trockenen Fußes hindurchziehen kann, schlagen die Wellen zurück, als die Streitmacht des Pharao ihnen nachjagen will. In der Befreiung am Schilfmeer wird ganz Israel wie dereinst Mose „aus dem Wasser gezogen“.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag singt von diesem Ereignis, das noch heute als das prägendste gilt, das Israel mit Gott erlebt hat. Einer, wenn nicht sogar der älteste Text, der uns in der Bibel überliefert ist, singt von dieser entscheidenden Rettungstat Gottes. Überraschenderweise stammt er aus dem Munde einer Frau, die auch noch als Prophetin bezeichnet wird. Die Rede ist von Mirjam, Tochter der Jochebed.

Lesung des Predigttextes:  - siehe oben -
 

In der katholischen Liturgie gehört die Erzählung vom Durchzug durch das Schilfmeer zu den festen Lesungen der Osternacht. Kein Wunder, denn es ist ja so etwas wie das Ostererlebnis Israels. Es ist mir deshalb so präsent, weil ich viele Jahre die Osternacht in der Basilika in Prüm mitgesungen habe und unser Chorleiter jedes Jahr aufs Neue seinen Unmut über diese Lesung geäußert hat. Nicht die Rettung Israels war ihm dabei ein Dorn im Auge, sondern mit welcher Selbstverständlichkeit hier das Heer der Ägypter versenkt wird. Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt. Ist das wirklich ein Grund zu jubeln, Mirjam? Für uns heute ist es eher schwer zu begreifen und schwer auszuhalten. Warum muss erst jemand sterben, damit Israel frei ist? Warum müssen die Erstgeborenen Ägyptens sterben und warum wird auch noch erzählt, dass Gott das Herz des Pharaos verstockte, damit er sein Heer den Israeliten hinterherschickt?

Ich werde den Verdacht nicht los, dass es unsere menschlichen, vielleicht sogar männlichen Vorstellungen von Macht sind, die in diesen Texten auf Gott übertragen wurden und ihren Niederschlag gefunden haben. Und mit männlich meine ich jetzt nicht nur die Männer, sondern schließe uns Frauen da durchaus mit ein, denn wir sind ja auch in den männlichen Vorstellungen von Macht groß geworden, die Macht definiert als Macht über etwas oder jemanden zu haben. Wenn ich Macht so definiere, dann kommt genau das dabei heraus: Gott als der Mächtigste aller Mächtigen hat dann natürlich auch Macht über den Pharao und wenn der nicht tut, was Gott will, dann kann es ja nur daran liegen, dass Gott selbst in seiner Macht sein Herz verstockt hat.

Was aber wenn Gott seine Macht ganz anders versteht? Was, wenn Gott schon immer Freiheit und Liebe wichtiger waren als Macht? Was, wenn er sich Freiheit nicht nur für Israel wünscht, sondern auch für Ägypten? Dann ergibt es plötzlich einen Sinn, dass er will, dass der Pharao selbst einsieht, dass es an der Zeit ist, Israel in die Freiheit zu entlassen. Dann ist es aber auch nicht Gott, der das Herz des Pharao verschlossen hat. So wie ich das sehe, muss Gott da gar nichts mehr machen. Das schafft der Pharao schon selbst. Da reicht die Angst vor dem eigenen Machtverlust, um Herzen zu verschließen. Warum auch sollten die Ägypter darauf verzichten, dass Leute die schwere Arbeit für sie erledigen? Nicht umsonst haben sich die Südstaaten der USA mit einem Bürgerkrieg gegen die Abschaffung der Sklaverei gewehrt. Und nicht umsonst haben wir unsere modernen und subtilen Formen der Abhängigkeit entwickelt, in der wir zwar nicht mehr vor unserer Haustür, wohl aber in Asien und Afrika Menschen für Hungerlöhne für uns arbeiten lassen. Billige Kleidung nähen lassen z.B., oder gemeldete Gewaltvideos anschauen lassen, um sie dann von den Social Media Kanälen zu löschen. Zum Dank exportieren wir in diese Länder unseren Sondermüll und Elektroschrott, gerne im Austausch für wertvolle Rohstoffe. Nur eines hat sich seit damals tatsächlich geändert: während der Pharao die Leute, die für ihn arbeiteten, nicht gehen lassen wollte, wollen wir sie bitteschön nicht hier haben, da lassen wir sie doch lieber im Mittelmeer ertrinken.

Gott hat es nicht leicht, diese Welt zu verändern, besonders wenn Menschen Angst haben, etwas zu verlieren, wenn sich etwas ändert. Und das bedeutet leider: Menschen sind oft nur dann bereit zur Veränderung, wenn es einen gewissen Druck dazu gibt. Offenbar brauchen wir bisweilen einen unangenehmen Anstoß von außen, mit dem wir uns herumplagen, bevor wir bereit sind, uns zu bewegen. Vermutlich ist da das Gesetz der Trägheit am Werk. Wir könnten uns natürlich auch freiwillig in Bewegung setzen in Richtung Gottes neuer Welt, was vermutlich für uns angenehmer und weniger schmerzvoll wäre, aber leichter geht es offenbar, wenn uns jemand in den Hintern tritt.

Und dann, wenn wir endlich erkannt haben: ja, da müssen wir wohl was tun, und endlich die ersten Schritte gemacht haben, da fallen wir gern in alte Muster zurück. Hier beim Pharao ist es das Muster der Machtausübung. Befreiung braucht immer auch das Loslassen des Alten und zwar auf beiden Seiten! Wie gesagt: ich habe das Gefühl: Gott will nicht nur Israel, er will auch Ägypten die Freiheit schenken: die Freiheit von alten Machtstrukturen, die Freiheit von Unrechtsverhältnissen, von alten Unterdrückungsmustern. Und ja, unsere Herzen sind oft verstockt, so dass wir nicht bereit sind, das Alte loszulassen. Aber hat wirklich Gott sie verschlossen? Tatsache ist, dass Neues nur entstehen kann, wenn Altes geht, ja, sogar zerstört wird. Und wenn wir nicht bereit sind, das Alte loszulassen, wenn wir am Alten festhalten, dann kann es leicht passieren, dass wir mit dem Alten untergehen, wenn das Neue, die befreiende Veränderung Fuß fassen soll. Meines Erachtens gehört es nicht zu Gottes Plan, zu töten. Gottes Plan ist ein Leben in Freiheit – für alle Beteiligten. Und Freiheit bedeutet eben auch: Gott lässt uns Menschen die Freiheit, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Das Leben gewinnend oder verlierend zu leben. Die eigene Macht lebensfördernd zu gebrauchen (so wie die Frauen es taten, als sie Mose retteten) oder eben seine Macht lebensverachtend zu missbrauchen (so wie der Pharao es tat). Gott traut uns viel zu, er gibt uns mit unserer Freiheit viel Verantwortung. Denn wir wissen ja: Was wir säen, werden wir auch ernten. Und wer Tod sät, wird Tod ernten.

Werfen wir noch einen Blick auf Israel. Auch die Befreiten tun sich schwer mit der Veränderung, mit der neu gewonnenen Freiheit. Auch sie müssen plötzlich die Verantwortung für ihr Leben übernehmen. Ein beschwerlicher Weg. Statt im gelobten Land finden sie sich in der Wüste wieder. Auf einer Durststrecke. Und Zweifel kommen auf: War die Entscheidung für die Freiheit richtig? Wären wir nicht besser in Ägypten geblieben? Durchhalten ist angesagt. Vertrauen auf Gott und Vertrauen auf den Weg, den er ihnen zeigt, auch wenn man das Ziel noch lange nicht sehen kann. Den Fokus halten, den Blick nach vorn, das ist wichtig, wenn die Veränderung dauerhaft gelingen soll. Den Traum der Freiheit, den sie im Herzen tragen, nicht aufhören zu träumen.

Mirjam, die Prophetin, erinnert uns mit ihrem Lied daran, dass Gott auch uns zu einem Leben in Freiheit berufen hat. Die Frage ist nur: Welche Saite bringt Mirjams Lied in uns zum Klingen? Die Saite der Unterdrücker, die ihre Macht dazu missbraucht, die eigenen Ängste zu kompensieren, oder die Saite der Befreiten, in der Gott uns die Macht über unser Leben zurückgibt, so dass wir weder uns noch andere klein machen müssen, weil wir Gottes Kraft in uns spüren.

Unser Schilfmeer ist das Wasser der Taufe. Und so wie das Wasser des Schilfmeers, so ist auch das Taufwasser für uns beides: Rettung in ein neues Leben in Freiheit, gleichzeitig aber auch tötende Flut für alles, was diesem Leben entgegensteht und unsere wahre Freiheit verhindert.

Welche Saite bringt Mirjams Lied in uns zum Klingen? Eine wichtige Frage, denn daran entscheidet sich, ob Gott auch uns bereits aus dem Wasser gezogen hat oder ob wir noch in den Fluten des Schilfmeers feststecken.

Lassen wir uns von Mirjams Lied an die Freiheit erinnern, zu der Gott uns und alle Menschen berufen hat. Lassen wir los, was uns gefangen hält und sterben hinein in das Leben in Freiheit, das Gott uns schenken will.

UND DER FRIEDE GOTTES, DER HÖHER IST ALS ALLE VERNUNFT, BEWAHRE UNSERE HERZEN UND SINNE IN JESUS CHRISTUS. Amen
 

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