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Von SYBILLE FRERES, Prädikantin (Evangelische Kirchengemeinde Bitburg)Bild Sybille Freres

Predigttext     1. Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth im 13. Kapitel

1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. 4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. 8 Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. 11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. 12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Predigt

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

dieser Predigttext wird wohl bei vielen unter Ihnen einen  Wiedererkennungseffekt haben – es ist sicher eine der bekanntesten Passagen aus Paulus‘ vielen Briefen – besonders der Satz mit „Die Liebe ist langmütig“ oder „Glaube-Hoffnung- Liebe, diese Drei“. Als Mitglied des Redaktionsteams würde es mich ja freuen, wenn bei einigen unter Ihnen sofort der Gedanke an drei Gemeindebriefe des letztes Jahres aufploppte – wir hatten zu jeweils einem dieser Stichworte, unabhängig vom Bibeltext – uns viele Gedanken gemacht. Aber ich gebe mich da keinen Illusionen hin, was die geistige Haltbarkeit des Gemeindebriefes angeht.  Aber gerade weil der gesamte Bibelabschnitt, den ich vorgelesen habe, die Überschrift „Das Hohelied der Liebe“ trägt, sind einzelne Sätze daraus als Trauspruch sehr beliebt, wie eine Recherche auf verschiedenen Internetseiten mir gezeigt hat. War es vielleicht auch Ihrer?

Diese Aufzählung, was Liebe so alles ist- langmütig, freundlich, nicht berechnend - kann im großen Liebesglück die Herzen schneller schlagen und die Erwartungen steigen lassen- die an den/die Andere, natürlich. Und bevor Sie sich jetzt in den Gedanken verlieren, dass diese Erwartungen doch eigentlich im Verlauf einer Beziehung immer unrealistischer werden und man sich fragen kann, ob das jetzt ein Ziel oder ein Traum sei, möchte ich Sie gleich unterbrechen – denn von alledem redet unser Predigttext überhaupt nicht. Paulus legt hier kein Kochrezept, keine Gebrauchsanweisung für eine gelingende Zweierbeziehung vor, sondern etwas viel Weitreichenderes – die Anleitung für eine gelingende Beziehung zwischen allen Menschen. Es geht nicht um die Grundlagen einer Partnerschaft, es geht um Grundlagen unseres Lebens als Christen. Um das, was Gott für und von uns will. Um das, was in Ewigkeit Bestand haben wird.  Um das, worin wir nachfolgen sollen. Es geht sozusagen ans Eingemachte, ums Wesentliche. Es geht, wie so oft bei Paulus, um eine Grundhaltung.

Und mit dieser Frage der Haltung geht es gleich am Anfang unseres Textes los – bzw. mit der fehlenden Haltung.

Und schon stolpern wir - wenn wir lesen:

Wenn ich alle Sprachen der Menschen und der Engel könnte – ja wer, bitte schön, könnte das denn von uns? Wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe – wer traut sich das denn? Wenn ich alle Geheimnisse wüsste – wie unerreichbar ist das denn? Und dann gilt für alle diese doch weit aus der Masse herausragenden Persönlichkeiten der Zusatz „und hätte die Liebe nicht“- - dann ist das alles NICHTS? Gar nichts? So unnütz wie eine scheppernde Glocke, die keiner hören will? Wenn das alles Nichts ist – wo soll ich mich denn da wiederfinden? Noch unter Nichts, im Minusbereich? Ich, die ich in allen diesen Bereichen nichts in auch nur annähernder Menge vorzuweisen habe, höchstens ein kleines bisschen und dazu ein bisschen Liebe – kann ich gleich einpacken?

Aber stop- geht es hier um Stellung? Um Leistung? Um eine Werteskala? Um die größte, die tollste, die beste Liebe? Da steht nur- und hättet die Liebe nicht – oder, in einer neueren Übersetzung: und hättet keine Liebe. Liebe – ohne Gipfelkreuz, an das wir erst einmal kommen müssen. Es geht nicht um Leistung, es geht um die Grundhaltung. Um das, aus dem heraus wir etwas tun, sozusagen um das „wieso -weshalb- warum“. Mancher erinnert sich jetzt vielleicht an die Predigt von vor 2 Wochen…

Und deshalb müssen wir verstehen, von welcher Liebe Paulus hier redet. Er schreibt von Der Liebe -Einer Liebe, die nichts mit sexueller Anziehungskraft oder mit freundschaftlicher Verbundenheit zu tun hat. Wenn Sie – im Gegensatz zu mir- Griechisch lesen können, würde es Ihnen auch direkt auffallen:  da steht – so die Bibelkommentare – im Urtext Agape – das ist dasjenige der drei griechischen Wörter für Liebe, das in der Bibel die Liebe beschreibt, die Gott für uns empfindet. Also viel tiefgreifender, viel weitreichender als menschliche Partnerschaft oder Freundschaft oder jegliche sonstige menschliche liebevolle Beziehung.

Und schon stolpern wir erneut: Und hätte die Liebe nicht- wie sollen wir denn eine solche Liebe haben? Wie sollen wir eine solche Liebe erlernen? Wie sollen wir jemals an diesen Punkt kommen? Bleibt da nicht auch für uns nur das Urteil: So wäre ich nichts?

Klar ist – und das ist auch und vielleicht gerade- Paulus klar: aus unserer Kraft, aus unseren Fähigkeiten, aus unserem Bemühen heraus können wir eine solche Liebe nicht haben. Die Liebe, von der Mose und Jesus sprechen, wenn es heißt: Liebe deinen Nächsten. Die Liebe, die Jesus meint, wenn er sagt „Liebet eure Feinde“. Die Liebe, von der es im Johannesevangelium heißt: Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Die Liebe, die uns zugesagt ist, wenn wir lesen: Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab. Nein, diese Liebe können wir aus uns heraus nie und nimmer erreichen. Also doch – „so sind wir nichts?

Aber dann wäre dieser Text eine niederschmetternde Moralpredigt, ein Zeugnis unserer Verlorenheit eine Dokumentation unserer unwiderruflichen Unzulänglichkeit. Und genau das ist er nicht. Er ist eine Ahnung, eine Verheißung dessen, was Gott uns schon immer geben wollte und in Christus endgültig geschenkt hat. DA, wo wir im Glauben die Liebe annehmen, die Gott uns im Leben und Sterben seines Sohnes gezeigt hat, erhalten wir etwas von dieser Liebe, dieser Agape. „Gott hat uns mit dem Heiligen Geist, den er uns geschenkt hat, auch seine Liebe ins Herz ausgegossen.“ So Paulus im Brief an die Römer. Gott liebet uns nicht, weil wir so wertvoll wären, aber wir sind so wertvoll, weil Gott uns liebt – ein Satz des Theologen Helmut Thielicke. Ausgegossen in unsere Herzen. Uns geschenkt. Nicht mehr: und hätten der Liebe nicht – sondern: in unsere Herzen gegossen.

Um diese Liebe geht es Paulus – die grundlegende Liebe zum Mit-Menschen ohne jedes Ansehen der Leistung, der Stellung, der Geisteshaltung oder Glaubensrichtung. Die Annahme und Wertschätzung eines Gegenübers, das nichts für mich getan hat.

Und dann ist auch klar, warum alle die großartigen Dinge, von denen ganz am Anfang die Rede war, nichts ohne diese Liebe sind: - weil sie aus den falschen Beweggründen erbracht worden sind Wenn ich ohne Liebe zu meinem Mitmenschen mein Geld verschenke, dann steckt etwas anders dahinter – Geltungssucht oder versteckte Schuldgefühle vielleicht. Alle Geheimnisse der Welt wissen und das Wissen nutzen, um zu beeindrucken, eine mächtige Stellung einzunehmen oder gar zu herrschen, das geschieht, wenn Liebe fehlt. Ein immenser Glaube ohne Zuwendung zu denen, die wie ich von dem, der den Glauben erst schenkt, geschaffen wurden – ist Missachtung Gottes und seines Geschenks. Dann ist alles nichts und wertlos. Das Größte aber – das größte von allen Gaben Gottes, die Weisheit und die Gabe der Prophetie und Reichtum und Glaube ja alle sind, das Größte aber ist die Liebe. In unsere Herzen ausgegossen.

Und doch – bleibt da nicht doch noch ein Stolperstein? Nämlich diese großartige Aufzählung, was denn diese Liebe ist, die uns geschenkt wurde:

„Liebe hat Geduld. Liebe ist freundlich. Sie kennt keinen Neid. Sie macht sich nicht wichtig und bläst sich nicht auf; sie ist nicht taktlos und sucht nicht sich selbst; sie lässt sich nicht reizen und trägt Böses nicht nach; sie freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht, sie freut sich, wenn die Wahrheit siegt. Sie erträgt alles; sie glaubt und hofft immer. Sie hält allem stand.“

Unerreichbar für uns- auch mit diesem riesigen Stück von Gottes Liebe in unseren Herzen. Auch darum weiß Paulus. Für ihn ist eindeutig und selbstverständlich, was er allerdings nicht hingeschrieben hat – vielleicht weil es für ihn so selbstverständlich war: Nur und einzig Jesus kann diesen Anforderungskatalog der Liebe erfüllen und hat ihn erfüllt.  In einem Kommentar zu dieser Bibelstelle habe ich gelesen, dass man hier statt „Liebe“ auch immer „Jesus“ sagen könne. Dann läse sich dieser Text so: „Jesus hat Geduld. Jesus ist freundlich. Er kennt keinen Neid. Er macht sich nicht wichtig und bläst sich nicht auf; Er ist nicht taktlos und sucht nicht sich selbst; Er lässt sich nicht reizen und trägt Böses nicht nach; er freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht, er freut sich, wenn die Wahrheit siegt. Er erträgt alles; er glaubt und hofft immer. Er hält allem stand.

Wir sind von Jesus zur Nachfolge aufgerufen, zur Nachfolge auch in dieser Liebe- mit allen unseren Möglichkeiten -von ganzem Herzen. Den Herzen, in die sie ausgegossen ist– die in ihrer menschlichen Beschränktheit sie nicht in ihrer Fülle und Vollkommenheit erfassen und ausleben können – warum eben auch unsere Liebe immer „Stückwerk“ bleiben wird. Aber unsere Bemühungen, Jesus auch darin nachzufolgen, werden auch in unserer Beschränktheit Früchte tragen, Ergebnisse erzielen. Unsere Liebe wird dabei wachsen, nicht abnehmen. Wir werden Freude daran haben, Liebe zu geben.  Und natürlich darf sich unsere Liebe auch mit großherziger Spendenbereitschaft oder mit tiefem Glauben verbinden – das wird sie vielleicht sogar von ganz alleine tun.

Und wir werden immer wieder scheitern, aber können immer wieder anfangen. Wo und bei wem Sie und ich heute damit anfangen, das Hohelied der Liebe mit Leben zu erfüllen, bleibt jedem und jeder von uns überlassen. Wir alle wissen doch am besten von uns selber, wo es fehlt, wo wir zurückgezuckt sind, wo wir gekniffen haben. Wo wir uns und unserer Liebesfähigkeit nicht getraut haben- uns einander Liebe schuldig geblieben sind.

Aber auch dann ist uns Jesu unermessliche und uneingeschränkte Liebe zu uns, seine Agape sicher- mit der er uns immer wieder neu füllen will.  Mit Gottes Hilfe sind wir imstande, ein Stück am Hohelied der Liebe unseres eigenen Lebens mitzuschreiben – das Lied unserer Liebe zum Nächsten und zu Gott, der uns zu dieser Liebe fähig macht.

Darin bewahre uns Christus, unser gekreuzigter und auferstandener und gegenwärtiger Herr.

Amen.

Digitale Kollekte

Wenn Sie im Augenblick keinen öffentlichen Gottesdienste besuchen können oder möchten.
Sie aber etwas in die Kollekte für die verschiedensten Zwecke und Werke geben möchten, ist hier die Möglichkeit für die jeweiligen Tage dazu:

Herzlichen Dank für die Unterstützung.

Gruß

Ihre/eure  Sybille Freres

 

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