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von Pfrarrerin Sonja Mitze

Predigttext: 1. Petr 5, 1-4

1 Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll:
2Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist, und achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt, nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund,
3 nicht als solche, die über die Gemeinden herrschen, sondern als Vorbilder der Herde.
4 So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen.

Gott schenke uns ein offenes Wort für unser Herz und ein offenes Herz für sein Wort. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Vom Frühjahr bis zum Herbst läuft ab und zu eine Schafherde durch die Straße, in der ich wohne. Sie sind auf dem Weg von einer Weide zur nächsten. Einer der Hirten läuft immer vorneweg, um den Schafen den richtigen Weg zu zeigen. Ein anderer geht hinten und achtet darauf, dass auch das humpelnde Schaf, das nicht so schnell kann wie die anderen, nicht verloren geht. Außerdem sammelt er auch die ein, die immer bei unseren Nachbarn stehen bleiben, um ein paar Blättchen als Wegzehrung von der Hecke dort zu zupfen. Am Ziel ist alles vorbereitet: Schon am Tag zuvor haben die Schäfer die neue Weide mit einem provisorischen Zaun abgesteckt und die Schafe können sich nach Lust und Laune auf der Wiese verteilen. Jeden Tag kommt der Hirte vorbei. Wenn er sie ruft, kommen sie alle angelaufen und er schaut, ob alles in Ordnung ist.
Ein Hirte kümmert sich um seine Schafe. Er sorgt dafür, dass es ihnen gut geht, dass sie genug zu essen und zu trinken haben, passt auf, dass keins verloren geht. Kein Wunder, dass Israel schon früh sagen konnte: Gott, der Herr, ist unser Hirte. Denn so wie ein Hirte sich um seine Schafe kümmert, so kümmert Gott sich um uns. An unserem Konfitag am Samstag vor einer Woche, haben wir uns mit Psalm 23 beschäftigt. Und ein paar der Ergebnisse können Sie drüben an der Pinwand sehen. Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Es gibt so vieles, was Gott uns schenkt, so vieles, wofür wir in unserem Leben dankbar sein können. Auf dem einen Plakat haben die Konfis aufgeschrieben, wofür sie dankbar sind: Familie, Tanzen, Essen und Trinken, Freunde und das Leben selbst.
Gott als Hirte, der für uns sorgt - Jesus nimmt dieses Bild auf, wenn er das Gleichnis vom guten Hirten erzählt, der die 99 Schafe zurücklässt, um das eine zu suchen, das verloren gegangen war. Und dann wird auch Jesus zum guten Hirten, der sogar sein Leben für die Schafe lässt. Wir haben es gerade in der Evangeliumslesung gehört. (Joh 10,11-16.27-30) Und so ist es nicht verwunderlich, dass in den ältesten Darstellungen, die es von Jesus überhaupt gibt, Jesus als guter Hirte dargestellt wird, der ein Schaf auf den Schultern trägt. Jesus passt auf uns auf. Er beschützt uns und trägt uns durch Gefahren hindurch.
Und dann begegnet uns das Bild des Hirten noch mal überraschend anders in unserem Predigttext für den heutigen Sonntag.
Er steht im 5. Kapitel des 1. Petrusbriefes:  - siehe oben -
 
Ich finde, hier kann man eine sehr spannende Entwicklung beobachten: Ja, Jesus ist immer noch der „Erzhirte“, also der „Oberhirte“, aber plötzlich sind da ganz viele, die als Hirten der Gemeinde angesprochen werden: Die Ältesten, also die Presbyterinnen und Presbyter, diejenigen, die die Gemeinde leiten, die ein gewisses Ansehen genießen, sei es durch ihre Erfahrung, ihr Alter, ihren Glauben, ihren Lebenswandel, ihr Engagement. Sie sollen die „Herde Gottes weiden“, also auf die Menschen in der Gemeinde achten, sich um sie kümmern, so wie Gott sich um uns Menschen kümmert.
Ich finde das sehr spannend, denn wir tendieren dazu, das Hirtenamt nur bei bestimmten Mitgliedern des Presbyteriums anzusiedeln, nämlich dem Pfarrer bzw. der Pfarrerin. In einigen Gegenden von Deutschland, wo die Leute Pastor/Pastorin sagen, wird das noch deutlicher, denn Pastor ist einfach nur das lateinische Wort für Hirte.
Der 1. Petr verteilt die „Schäfchen“ aber eben noch auf ganz viele andere Schultern, nämlich auf alle, die in der Gemeinde Verantwortung tragen, eine leitende Rolle einnehmen. Ich finde, das ist ein wichtiger Gedanke – gerade im Hinblick darauf, dass wir in Zukunft vermutlich nicht mehr so viele Pfarrerinnen und Pfarrer haben werden. Und auch wenn der 1. Petr hier die Presbyterinnen und Presbyter im Blick hat, könnte das, was er hier sagt, meines Erachtens auch darüber hinaus gelten. Denn es gibt ja noch andere Menschen in den Gemeinden, die Verantwortung übernehmen: als Haupt- oder Ehrenamtliche, in der Gruppenleitung, im Besuchsdienst, im Kindergottesdienst, in der Konfiarbeit, in der Arbeit am Gemeindebrief, in der diakonischen Arbeit, im Gottesdienst…
Weidet die Menschen, die euch anbefohlen sind, und achtet auf sie. Denn sie sind Gottes! Eigentlich sollte das selbstverständlich sein. Und doch wissen wir alle: Das ist es nicht. Wenn in der großen Politik Skandale ans Licht kommen, in denen es um Machtmissbrauch und Korruption geht, wundern sich viele schon gar nicht mehr. Aber in der Kirche, da sollte es doch wenigstens anders zugehen. Und dann ist die Enttäuschung groß, wenn plötzlich ans Licht kommt, dass auch in Kirche missbraucht, manipuliert, sich bereichert wird.
Ich weiß, es ist nur ein schwacher Trost, aber ganz offensichtlich gab es schon zur Zeit des 1. Petrusbriefes „schwarze Schafe“ unter den Hirten. Denn warum sonst müsste er die Ältesten daran erinnern, wie Leitung in einer christlichen Gemeinde aussehen sollte: alle, die Verantwortung übernehmen, sollten dies freiwillig tun. Niemand soll gezwungen oder gedrängt werden, sondern die Aufgabe aus vollem Herzen bejahen. Motive wie Ausbeutung und Profitsucht sollten ohnehin ausgeschlossen sein. Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden!, heißt es schon beim Propheten Ezechiel.
Das, was in der Kirche, in der Gemeinde anders sein soll, ist im Grunde nichts anderes als die Auflösung der Herrschaftsverhältnisse. Leitung bedeutet eben nicht Macht über andere auszuüben, sondern ihnen zu dienen.
Jesus hat das immer wieder versucht, seinen Jüngern klar zu machen: Es geht eben nicht darum, wer der Beste, der Schnellste, der Stärkste ist oder wer den Ehrenplatz neben Jesus abkriegt. „Wer groß sein will unter euch, der diene den anderen“, sagt er zu Johannes und Jakobus, die ihm genau diese Frage stellen. Jesus hat es ihnen demonstriert, indem er, der Herr, ihnen die Füße gewaschen und schließlich sein Leben hingegeben hat. Der Verfasser des 1. Petr stellt sich selbst in diese Tradition, indem er für sich keine Sonderstellung beansprucht, sondern betont, dass er MITältester ist.
Auch andere Machtverhältnisse spielen in der Gemeinde keine Rolle mehr: Das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen z.B. oder das zwischen Herren und Sklaven. In der Gemeinde Christi gibt es niemanden, der wichtiger, besser oder geliebter wäre als die anderen.
Und darum kann der 1. Petr auch betonen: Ihr alle seid auserwählt! Königlich, priesterlich, heilig, dazu berufen, Gottes Wohltaten zu verkünden, der euch aus der Finsternis ins Licht geführt hat. (1. Petr 2,9) Wie oft machen wir uns das klar? – Vermutlich viel zu selten! Ein Mann sprach mich einmal nach einem Taufgottesdienst an und sagte: „Also ich bin ja katholisch und bisher habe ich immer gedacht, dass ihr Evangelischen gar keine Heiligen habt. Aber jetzt ist mir aufgefallen: ihr sprecht im Glaubensbekenntnis ja auch: „Gemeinschaft der Heiligen“! Habt ihr jetzt doch Heilige? Oder wie ist das zu verstehen?“ – Ja, habe ich ihm gesagt, auch wir glauben an die Gemeinschaft der Heiligen. Aber darunter verstehen wir eben nicht Menschen, die ein besonders heiliges Leben geführt haben, die wir deshalb ausgesondert haben, damit wir sie anrufen könnten, für Gott bei uns einzutreten. Die Gemeinschaft der Heiligen, das sind wir alle.
Und wenn wir das einmal verstanden haben, wenn wir uns das klar machen, dann wird es richtig spannend. Denn dann werden wir plötzlich in die Eigenverantwortung genommen. Dann hören wir den Ruf, uns selbst einzubringen, selbst ein Vorbild zu sein, weil wir verstanden haben, dass wir ein Abbild Jesu Christi sind. Meines Erachtens gilt das nicht nur für Pastorinnen und Pastoren, nicht nur für Presbyterinnen und Presbyter, sondern für alle, die zu Christus gehören. Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist und achtet auf sie. Der 1. Petr schreibt das den Menschen, die Leitungsaufgaben in der Gemeinde übernommen haben. Und doch ist es etwas, wozu wir alle gerufen sind. An jedem Ort zu jeder Zeit, wo wir uns gerade befinden: aufeinander zu achten, einander wertschätzend und achtsam zu begegnen. Nicht weil uns irgendjemand gesagt hat, dass wir das tun sollen, sondern freiwillig, nicht weil wir damit irgendwelche Hintergedanken verfolgen, sondern weil es uns ein Herzensanliegen ist. Nicht weil wir Menschen mit unserem Verhalten manipulieren wollen, sondern weil wir so leben wollen, wie Jesus es uns vorgelebt hat.
Gewiss, manchmal stoßen wir dabei an Grenzen. Manchmal wird es uns nicht gelingen und manchmal werden wir vielleicht das Gefühl haben, dass uns alles über den Kopf wächst. Und dann ist es gut zu wissen, dass wir nicht allein sind und auch nicht immer und überall die Hirtenrolle einnehmen müssen. Denn zu allererst sind wir Teil einer großen Herde. Wir sind nicht allein. Wir sind viele. Und wir haben nicht nur uns. Denn wir gehören zu Gott. Und der hat es sich zur Aufgabe gemacht, unser Hirte zu sein. So hat er es zumindest dem Propheten Ezechiel erzählt:
Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen. Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden wie es recht ist. Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide und ich will euer Gott sein, spricht Gott der HERR. (Ez 34, 15-16.31)
 
UND DER FRIEDE GOTTES, DER HÖHER IST ALS ALLE VERNUNFT, BEWAHRE UNSERE HERZEN UND SINNE IN JESUS CHRISTUS. Amen
 

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Pfarrerin
Sonja Mitze

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