Von SYBILLE FRERES, Prädikantin (Evangelische Kirchengemeinde Bitburg)
Predigttext Johannes 12, 12-19
12 Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, 13 nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! 14 Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht: 15 »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« 16 Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so an ihm getan hatte. 17 Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. 18 Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. 19 Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.
Predigt
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Liebe Leserin, lieber Leser,
Wer an diesem Sonntag in der Bitburger Kirche sich vor Beginn des Gottesdienstes damit beschäftigt hat, schon mal die Bändchen bei den angeschlagenen Liedern ins Gesangbuch zu basteln, hat vielleicht ein wenig gestutzt, da ein Lied aus der Adventsabteilung 1-22 zu sehen – ist eventuell eine Zahl runtergefallen? Übermittlungsfehler? Oder ging es denen ganz im Gegenteil vielleicht wie mir - dieses Lied Nr. 11, „Wie soll ich dich empfangen“, das wir eben gesungen haben, löst in mir in der Adventszeit immer die Erinnerung an das Evangelium von Palmsonntag aus. Es ist eben ein Ankunftslied – und passt zu beiden biblischen Ereignissen der Ankunft. Im Advent, vom lateinischen Adventus = Ankunft - sollen und können wir uns auf die Ankunft Gottes in Menschengestalt auf dieser Erde vorbereiten – eine Zeit der Verheißung, der Erwartung, der Hoffnung – eigentlich auch eine Zeit der Einkehr und der Besinnung. Heute, an Palmsonntag, dann die Ankunft des menschgewordenen Gottes in Jerusalem und zugleich der Beginn seines Leidensweges. Die Ankunftserwartung des Advents – sie wurde mit himmlischem und menschlichem Jubel an Weihnachten erfüllt – die Ankunft an Palmsonntag ruft auch Jubel hervor, lauten Jubel – der doch so bald umschlagen wird ins „Kreuzige ihn!“ Es beginnt die Zeit der Erfüllung der Prophezeiungen über den Messias, eine Zeit der gespannten Erwartung, bald eine Zeit der Klage.
Diesem Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem möchte ich mich mit vier W- Fragen nähern – was, wer, wo und wie. Die ersten beiden Fragen sind leicht aus dem Text zu beantworten:
WAS geschieht da eigentlich? Jesus wird von einer Menschenmenge wie ein König empfangen - und für einen König ist es auch angebracht, dass ihm bei seinem Einzug nicht der durch die Menschen und die Hufe des Reittiers aufgewirbelte Staub um die Nase weht – also wird, so etwa wie ein roter Teppich, der Boden mit rasch von den Bäumen abgehauenen grünen Zweigen und Palmwedeln belegt- eben: Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin. (Lied 11 EG) Zion, das steht im Alten Testament für die Stadt Jerusalem und den Tempelberg.
Bei diesem triumphalen Einzug ist doch aber auch etwas Irritierendes dabei- Jesus reitet auf einem Esel statt auf einem Pferd, was deutlich mehr hermachen würde – und erfüllt damit eine uralte Prophezeiung des Propheten Sacharja: “ Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.“ Natürlich kann man da einwenden, das sei Manipulation – in Kenntnis der Bibelstelle sich einen Esel besorgen und darauf einreiten, damit es zur Königsvorhersage passt! Und Sie können sicher sein, dass viele, viele von den Anwesenden diese Bibelstelle kannten. Nicht nur Schriftgelehrte und Pharisäer, sondern viele „normale“ Menschen kannten die biblischen Texte – sicher deutlich mehr, als heute bei Christen so üblich - sie wurden ja immer wieder in den gutbesuchten Gottesdiensten gelesen, die kleinen Jungen bekamen sie beigebracht. Und natürlich erfüllt Jesus mit voller Absicht die Worte des Sacharja – weil sie an ihm wahr werden. Nur nicht so, wie ein Manipulator das bewirkt hätte – der hätte rasch und mit Nachdruck seinen Herrschaftsanspruch durchgesetzt. Sondern sie erfüllen sich im Erreichen seines von Gott gesetzten Zieles, im Erdulden des vorgegebenen Weges. Er ist der ganz andere König, der König des Reiches Gottes, das mit ihm schon begonnen hat. Doch wie heißt es schon in unserem Predigttext: „Dieses Wort erfüllte sich damals, doch das verstanden die Jünger zunächst noch nicht. Später allerdings, als Jesus in seiner Herrlichkeit offenbart war, erinnerten sie sich daran, dass man ihn genauso empfangen hatte, wie es in der Schrift vorausgesagt war.“
Aber WER ist das eigentlich, der ihn da empfängt, an einem der Stadttore von Jerusalem? Sicher eine ganz unterschiedlich zusammengesetzte Menschenmasse. Da sind die, die schon eine längere Zeit von seinen Taten und seiner Lehre überzeugt sind, sich nur nicht direkt den Jüngern angeschlossen haben. Sie jubeln aus vollem Herzen - Der Retter kommt! Andere unter den „Hosianna“ rufenden Frauen und Männer wieder haben von diesem Jesus gehört und vor allem von seiner letzten, Aufsehen erregenden Tat: einen bereits seit 4 Tagen toten Menschen, den Bruder von Maria und Martha aus Bethanien, hat er wieder lebendig gemacht! Wer so etwas kann, der muss! doch der vorhergesagte König von Israel sein! Den muss man doch begrüßen und bejubeln. Endlich ist er da! Andere wiederum sind sich mit der Königssache nicht so sicher – aber wollen so einen Wundermacher doch ganz aus der Nähe sehen, allein schon um später davon erzählen zu können. Hätte es schon Handys gegeben, sie hätten bestimmt ein Video gefilmt… Etwas in Entfernung stehen die Zweifler, die Zögerlichen, die, die nicht so richtig wissen, was sie von diesem Jesus halten sollen – lieber nicht so dicht dabei, das wird sonst nachher als Meinungsäußerung und Teilnahme an einer Demonstration ausgelegt. Erstmal abwarten, erstmal noch nicht festlegen… Und da sind die Pharisäer, die sehen, dass ihr Wunsch nicht in Erfüllung geht, dass sich der Hype um diesen Jesus von Nazareth wieder legt, dass die Menschen sich anderen Predigern -oder wieder ihnen – zuwenden. Und sie beginnen nachzudenken über die Konsequenzen dieses Tages.
Stellen Sie sich doch einmal für einen Moment die Szenerie vor – wenn ich computertechnisch begabt wäre, hätte ich Ihnen ein Schaubild gemacht und hier eingefügt– rote Spielsteinchen für die begeisterte Menge, grüne für die Gaffer, gelbe für die Abwartenden, blaue für die Pharisäer. Und jetzt die dritte W- Frage:
WO stehe ich, wo stehen Sie? Wenn wir jetzt da wären - In welcher Gruppe finde ich mich wieder? Stehe ich ganz vorne, in der ersten Reihe, oder eher in der Mitte oder am Rand? Kann ich mich ehrlichen Herzens fest zu einer Gruppe rechnen? Oder bewege ich mich zwischen zwei Gruppen hin und her – mal glaubend und jubelnd, mal zweifelnd? Und in manchen Zeiten meines Lebens lieber auf Distanz oder in Ablehnung?
Lassen Sie sich doch einen Moment Zeit, sich in diese Vorstellung der Situation hineinzuversetzen – und suchen Sie die Menge ab, ob und wo Sie sich finden… heute und auch an den vielen Palmsonntagen, die hinter uns liegen…
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Und jetzt die letzte W-Frage:
WIE? Wie soll ich dich empfangen? An diesem Palmsonntag – am nächsten Weihnachten – an jedem Tag meines Lebens? Wie soll ich dich empfangen? Kommst du wirklich bei mir vorbei auf deinem Weg - wo ich mich doch eigentlich viel mehr mit anderen Dingen beschäftige als mit dir? Wie soll ich dich empfangen, wenn ich zweifle, wenn ich mit dir hadere, wenn nichts so läuft, wie ich das wollte, wenn meine Lebensplanung völlig aus dem Ruder läuft? Wie soll ich dich empfangen, wenn Ich mich doch so oft für nicht würdig halte, dass du mich siehst – du, ein Gott, der mich – dennoch - sieht? Wie soll ich dich empfangen – dich, den König, den Messias, den Bruder, den menschgewordenen Gott? Wie- mit welcher inneren und äußeren Haltung? Wie- mit welcher Lebensgestaltung? Wie „gut“ muss ich sein, damit ich ihn überhaupt empfangen kann? Und wie- wie ändere ich mich?
Wenn ich Antworten auf diese Fragen suche, Antworten, die wahr sind, auf die ich mich verlassen und auf die ich bauen kann – dann bekomme ich sie bei Jesus selber und bei Menschen, die zutiefst von ihm geprägt wurden- ich finde sie in der Bibel:
Da finde ich Worte, die meinen – unsere Zweifel ausdrücken--- wenn der verzweifelte Vater Jesus anfleht: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Und Jesus hilft…Ich lese von Thomas, dem Zweifler, zu dem Jesus extra kommt, damit er den Auferstandenen wie die anderen mit eigenen Augen sieht.
Ich lese im Johannesevangelium von unseren Ängsten, wenn Jesus sagt: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.
Ebenfalls bei Johannes sagt Jesus: Lasst euch durch nichts in eurem Glauben erschüttern! Vertraut auf Gott und vertraut auf mich!
Und wenn Paulus schreibt: Begreifst du nicht, dass Gottes Güte dich zur Umkehr bringen will? - dann richtet sich das doch an Menschen, die nicht oder nicht mehr auf Jesus schauen – und doch und gerade angesprochen sind.
Und ich erkenne zum wiederholten Male: Ich muss nichts leisten, muss nicht „gut“ sein, um Jesus zu empfangen – er kennt alle unsere Zweifel und den wankenden Grund, auf dem ich manchmal stehe. Ich brauche nur zu vertrauen, mich zu Ihm umdrehen, nur Ihn empfangen wollen.
Und weiter finde ich im Johannesevangelium: Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe! --- Ich bin geliebt – wie ich bin.
Im Brief an die Thessalonicher lese ich von Dankbarkeit: Dankt Gott in jeder Lage! Das ist es, was er von euch will und was er euch durch Jesus Christus möglich gemacht hat.
Und ich lese von Freude im Philipperbrief: Freut euch immerzu, mit der Freude, die vom Herrn kommt! Und noch einmal sage ich: Freut euch!
Ich finde Worte über Demut - laut Duden heißt das, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, im religiösen Kontext laut Wikipedia: das Anerkennen der Allmacht Gottes. - Jesus sagt bei Markus: Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin sanft und demütig.
Das alles bedeutet für mich: Ich muss nicht verstehen, was da an Karfreitag und Ostern geschieht – das ist für Menschen nicht begreifbar – ich brauche es nur anzunehmen und Ihn empfangen voller Freude und Dankbarkeit, gepaart mit dem demütigen Staunen über Gottes Hoheit und seiner Liebe zu uns.
Und ja: zu einer solchen Liebe sind wir nur in kleinen und kleinsten Ansätzen fähig. Aber erwidern dürfen und können wir diese Liebe und uns von ihr verändern lassen.
Freude – Vertrauen – Geliebt sein - Dankbarkeit - Angenommensein in meinem Zweifel – Willen zur Umkehr – Demut – Worte der Erlösung von meinem „Wie?“. Mit ihnen darf ich mich füllen lassen, damit im Herzen darf ich meinem Messias entgegensehen und entgegengehen. Und ich darf mich dabei leiten lassen von der unerschütterlichen Zusage eines Paulus im Römerbrief: Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
Und der Friede Gottes, der so viel größer ist als unser Verstehen, bewahre unsere Herzen in Christus Jesus, unserem gekreuzigten und auferstandenen und gegenwärtigen Herrn.
Amen.
Digitale Kollekte
Wenn Sie im Augenblick keinen öffentlichen Gottesdienste besuchen können oder möchten.
Sie aber etwas in die Kollekte für die verschiedensten Zwecke und Werke geben möchten, ist hier die Möglichkeit für die jeweiligen Tage dazu:
https://www.kd-onlinespende.de/organisation/ev-kirche-im-rheinland/display/frame.html
Herzlichen Dank für die Unterstützung.
Gruß
Ihre/eure Sybille Freres